Informationen rund um die HEIMAT-Trilogie von Edgar Reitz

Zum Tod von Hannelore Hoger

Nachruf von Edgar Reitz

Als Alexander Kluge mich am Heiligabend anrief, um mir zu sagen, dass Hannelore gestorben sei, konnte ich es nicht glauben. Wer Hannelore Hoger kannte, weiß, dass sie immer ein wenig irreal erschien, nie ganz von dieser Welt. Sie war mehr als eine brillante Schauspielerin, sie war auch das Spiegelbild der unzähligen Situationen, in denen sie auftrat, nicht nur in ihren Filmen, Theaterrollen und Fernsehstücken. Ihre Nervosität, ihre permanent wechselnde Selbstwahrnehmung, ihre Widersprüchlichkeit und ihre vibrierende Präsenz lassen sich nicht beschreiben. Wenn man sagt, ein großer Schauspieler sei an seiner Wandlungsfähigkeit zu erkennen, dann trifft auf die Hoger das Gegenteil zu. Nicht sie wandelte sich in der Zusammenarbeit mit einem Regisseur, sondern dieser wurde durch sie verwandelt. Alle ihre Geschichten nahmen das Blut von Hannelore Hoger in sich auf. Es war immer sie, Hannelore Hoger, die mit ihren leuchtenden Augen in ihre Rollen sprang.

Ich habe bei der ZWEITEN HEIMAT fast vier Jahre lang, also einige hundert Drehtage mit ihr gearbeitet und erlebt, dass die Figur des „Fräulein“ Cerphal in ihrer Gestalt zu wachsen begann und bald mehr war, als eine Rolle. Sie wurde zur Institution. Ihr Haus, der „Fuchsbau“ wurde zu einem Labyrinth, in dem ihre Seele lauerte und auf Menschenfang ging. Wir waren alle ihre Gefangenen. Die Folge 9 der ZWEITEN HEIMAT widmete ich der „ewigen Tochter“, die sie am Ende verkörperte.

Hannelore Hoger hat mit ihrer Rolle in DIE ZWEITE HEIMAT das gesamte Panorama ihrer Schauspielkunst und ihres unverwechselbaren Charakters ausgebreitet. Für mich ist es ihr bester Film. Leider weiß das keiner der heutigen Nekrologschreiber. In der Bella-Block-Welt wurde die Künstlerin, die sibyllinische Hannelore Hoger, mit Ruhm überschüttet und fast vergessen.

Mit der Hoger verliert der deutsche Film einen Glücksstern.

Edgar Reitz1

Hannlore Hoger in Die Zweite Heimat © ERFilm

Fußnoten
  1. übermittelt von Edgar Reitz an Thomas Hönemann per Mail am 29.12.2024 []