Informationen rund um die HEIMAT-Trilogie von Edgar Reitz

Edgar Reitz und Werner Herzog

Zwischen Edgar Reitz und Werner Herzog besteht eine besondere Verbindung. Auch wenn die Biographien der beiden Regisseure oberflächlich betrachtet kaum unterschiedlicher sein könnten, so verbindet sie doch eine tiefe Übereinstimmung in vielen geistigen und insbesondere filmästhetischen Fragen.

Im Interview mit Beat Presser sagt Edgar Reitz auf die Frage, inwiefern Herzog ihm ähnele: „Wir sind vielleicht seelenverwandt, aber sehr konträr. Ein bisschen verrückt sind wir beide. Aber äußerlich gesehen ist es ein großer Unterschied, ob man sich in exotischen Urwäldern, Eis- und Schneelandschaften und Höhlen unter der Erde herumtreibt, oder ob man in ein Hunsrückdorf geht und 30 bis 40 Jahre lang jeden Stein herumdreht und meint, dort sie die Welt.“1

Edgar Reitz und Werner Herzog bei der Verleihung des Kulturellen Ehrenpreises der Stadt München am 20. Januar 2015, Foto: Harald Bischoff (Lizenz: CC BY-SA 3.0)

In Die andere Heimat hat Reitz der Verbundenheit der beiden Ausdruck verliehen, indem er die Rolle des Alexander von Humboldt mit Werner Herzog besetzte. Der ging auf den Vorschlag ein, nicht ohne allerdings, nachdem er bereits aus Los Angeles in den Hunsrück angereist war, eine Bedingung zu stellen: „Ich spiele in deinem Film nur mit, wenn du auch mitspielst!” Und so entstand eine der bewegendsten Szenen des Filmes, draußen auf dem Feld kurz vor Schlierschied, wo Herzog alias Humboldt Reitz, der einen einfachen Bauern spielt, der gerade am Feldrand seine Sense dengelt, fragt, wie denn der hinter dem Hügel anhand der Kirchturmspitze sichtbare Ort heiße. „Dat loo? Dat is Schabbach!“, antwortet Reitz auf Hunsrücker Platt. Ein Cameo-Auftritt – etwas, das Edgar Reitz (anders zum Beispiel als Alfred Hitchcock, der in so gut wie jedem seiner Filme erscheint) abgesehen von einer Episode der Geschichten vom Kübelkind, wo er einen stürmischen Liebhaber spielt, sonst nie getan hat. Werner Herzog musste kommen, um Edgar Reitz in dessen eigenem Film zu inszenieren.

Werner Herzog und Edgar Reitz in Die andere Heimat © ERFilm

Ebenfalls in einer Episode der Geschichten vom Kübelkind hatte Herzog bereits 1970 eine Rolle (als Hurenmörder) übernommen, und wirkte auch in Reitz‘ Dokumentarfilm Die Nacht der Regisseure (1994) mit. Als Werner Herzog 2015 den Kulturellen Ehrenpreis der Stadt München verliehen bekam hielt Edgar Reitz die Laudatio, für die er den Titel Die Grenzen des Menschseins überschreiten wählte.

Diese Laudatio können Sie zur rein privaten Verwendung mit freundlicher Genehmigung von Edgar Reitz hier herunterladen.

Eines der Persönlichkeitsmerkmale, die beide verbinden, ist die Liebe zur Literatur und zum Schreiben. Im Alter von 21 Jahren nahm Herzog unter verschiedenen Pseudonymen an einem literarischen Wettbewerb des Bayerischen Rundfunks teil – und gewann drei von zwölf Preisen.2 Bis heute erachtet er seine literarischen Werke als nachhaltiger als seine Filme. Und er empfiehlt jungen Filmemachern immer wieder, zu lesen – nicht etwa (keinesfalls!) Bücher über Filmtheorie, sondern zum Beispiel Bücher wie The Peregrin von John Alec Baker aufgrund der großartigen Präzision der Beschreibung, die nach Herzogs Begriffen in einem Zustand der Illumination des Geistes entstanden sein muss.3

Fußnoten
  1. Beat Presser: Aufbruch ins Jetzt. Der Neue Deutsche Film im Gespräch, Leipzig (Zweitausendeins) 2021, S. 246 []
  2. zit. n. filmportal.de []
  3. vgl. The Hypnotic VoiceOver of Werner Herzog, zu sehen auf vimeo []