Bericht von den Filmgesprächen mit Edgar Reitz, Jörg Adolph, Ingo Fliess und Joachim Kühn
Morgen, am Donnerstag, 9.1., kommt FILMSTUNDE_23 in die Kinos. Am vergangenen Montag (6.1.) fanden aus diesem Anlass in München zwei Vorpremieren statt, die von Edgar Reitz und Jörg Adolph sowie Ingo Fliess (Gründer und CEO if… Productions) und Joachim Kühn (Gründer und CEO Real Fiction Filmverleih) engagiert und bestens gelaunt begleitet wurden. Die Veranstaltungen fanden an zwei markanten Orten statt, nämlich um 18 Uhr im Theatiner Filmtheater, dem wohl ältesten erhaltenen Kino der Stadt (eröffnet 1957 und damit ähnlich alt wie die Filmkarriere von Edgar Reitz, der Mitte der 1950er Jahre in München seine ersten Kurzfilme drehte, vgl. Filmographie), und um 20 Uhr im Monopol Kino, in dessen Kinobar auch Teile des Klassentreffens 2023 gedreht wurden. Beide Säle waren gefüllt mit interessierten Menschen, die den Filmgesprächen interessiert zuhörten und sich selbst mit ihren Erfahrungen und Fragen einbrachten. Im Theatiner Filmtheater waren auch acht der ehemaligen Schülerinnen von Edgar Reitz anwesend. Hier finden Sie nun eine Zusammenfassung beider Filmgespräche. Ich habe meine Transkripte in Abschnitte strukturiert und mit Überschriften versehen, um Ihnen den Überblick zu erleichtern.
Falls Sie aufgrund des Berichtes Lust bekommen, Filmstunde_23 im Kino zu sehen, so finden Sie auf der Seite des Verleihs eine stets aktuelle Übersicht über die Orte, an denen der Film gezeigt wird.
Der Verleih hat anlässlich des Kinostarts auch einen Flyer aufgelegt, den Sie in digitaler Form mit freundlicher Genehmigung hier ansehen und herunterladen können:
Über Erfolg und Visionen
ER: „Es wäre ein Lüge, wenn ich jetzt behaupte, dass ich den Erfolg vorausgesehen habe. Man beginnt mit Enthusiasmus, das ist wahr. Wohin der führt, ist eine große Frage. Manchmal strengt man sich wahnsinnig an, dann kommt aber nichts dabei heraus, und manchmal fällt einem das Glück in den Schoß. So wie bei diesem kleinen Film, den Sie gerade gesehen haben. Er ist ja völlig ohne Anstrengung entstanden. Stellen Sie sich einmal vor, Jörg [Adolph] und ich haben den in nur zwei Tagen gedreht. Und sonst quält man sich jahrelang. Aber das Thema Zukunft spielt schon eine Rolle. Die Generation, der wir damals in den 1968er Jahren angehörten, war sehr zukunftsorientiert. Man fühlte sich sozusagen als Anfang einer neuen Zeit, in vielerlei Hinsicht, gesellschaftspolitisch (…) aber auch in den Künsten. Also wir 1962 das Oberhausener Manifest herausgegeben haben hatten wir das Gefühl, wir stehen am Anfang einer neuen Zeit, und alles, was wir jetzt tun, ist das, was die Zukunft prägen wird. Ich glaube, da ist ein großer Unterschied zu den jungen Leuten heute. (…) Und auch die 13jährigen Mädchen damals waren Kinder dieser Jahre, sie waren sehr interessiert an dem was kommt, und das spürt man auch wenn man die Aufnahmen sieht.“
Zum Glücksfall der Entstehung des Filmes
JA: „Ich habe am Anfang nicht geglaubt, dass das ein langer Film wird, und war dann sehr schnell begeistert von dem, wie sich das zusammengefügt hat und welche Dynamik da entstand. Ich war besonders begeistert darüber, was die Frauen noch zu den Filmen beitragen konnten, wie genau sie sich erinnert haben und wie viel Spaß sie an der Begegnung aber auch beim Wiedersehen ihrer Filme hatten. Ich habe die zwei Drehtage immer nur gegrinst weil ich gemerkt habe, hey, das funktioniert hier auf eine ganz seltsame Art und Weise.“
„Es war lebendig und schön, und wir haben während dieser zwei Tage auch viel gelacht.“
IF: „Was uns zu Gute kam ist, dass wir nicht von Anfang an davon ausgegangen sind, dass wirklich ein Film daraus wird. Sondern wir hatten eigentlich nur dieses Filmhistorische Bedürfnis, dieses Klassentreffen muss man einfach festhalten, wer weiß, was wir damit machen. Wir hatten dann auch keinerlei Verwertungsdruck, denn die Dreharbeiten haben wir erst einmal aus eigenen Mitteln finanziert, ein kleines Team für zwei Tage kostet ja nicht viel. Und die Freiheiten, die wir uns genommen haben, waren letztendlich der Schlüssel dafür, dass der Film eben auch in dieser Freiheit entstehen konnte, ohne dass wir so ganz genau wussten was daraus wird. Ich war dann völlig hingerissen von dem Rohschnitt, den Jörg in Rekordzeit zwischen zwei Projekten (…) erstellt hat. Und das zeigt, wenn wir die künstlerische Freiheit haben kann etwas entstehen, von dem wir vorher alle nicht ahnten, was es werden könnte. Ich hätte nicht gerne einen Förderantrag gestellt für den Film, bei dem wir eigentlich nicht gewusst hätten was im Treatment stehen soll, weil es so unberechenbar war.“
ER: „Ich hatte ja das Glück, dass der Jörg Adolph den Film in die Hand genommen hat. Wenn man in jedem Bild sich selber sieht, das kann man nicht selbst bearbeiten, da hat man keine Orientierung mehr, was gut und was nicht gut ist, und die Frage, wie wirkt das von damals auf einen, die muss einmal durch einen fremden Kopf hindurch. Ich habe das alles in der Bearbeitung von Jörg Adolph noch einmal neu entdeckt, das musste den Umweg über einen anderen Menschen gehen, ich glaube das ist immer ein ganz wichtiger Punkt.“
JA: „Es war ein großes Gelingen in diesen zwei Tagen, das mich sehr überrascht hat, auch dass da so ein Magie zwischen euch war, die haben wir mit dem Film aufzunehmen versucht, ohne dass sich das Filmen noch einmal da drüberlegt, (…) wir haben wirklich versucht, diese Begegnung zu beobachten, das was vorgegeben wurde durch den damaligen Unterricht und die Filme der Frauen. Und das war von Anfang an ein Glücksmoment, begonnen hier in diesem Kino [Monopol Kino-Bar], als wir den Film gesehen haben und ich spürte, das funktioniert, die erleben den Film noch einmal neu, und das war ein Anstoß für alles was dann kam.“
IF: „Es ist für mich ein großes Glück jetzt mit Ihnen hier zu sitzen und diesen Film auch als Film wahrzunehmen, auf mich wirkt er unheimlich konsequent und stimmig, dabei ist das Ganze wie vom Himmel gefallen. Als Edgar mir damals von diesem Versuch, den er auch in seiner Autobiographie beschrieben hat, erzählte und sagte ’stell dir vor, jetzt hat mich eine Frau angesprochen und sie wollen jetzt ein Klassentreffen machen‘, da habe ich sofort Jörg [Adolph] angerufen und ihm gesagt, ich finde, wir sollten das dokumentieren, aber ich weiß nicht, was man daraus machen kann, niemand von uns wusste zu dem Zeitpunkt, dass daraus ein Film FILMSTUNDE_23 herauskommen würde, das war nicht so planmäßig, wie es jetzt wirkt, sondern es war eher die Gewissheit, dass das ein Moment in der Filmgeschichte ist, der irgendwie interessant ist und den man doch besser mal aufhebt – für welche Zwecke auch immer. Und als Jörg dann anfing, den alten zweistündigen br-Dokumentarfilm zu sichten und den dann durch die alternierende Montage mit dem neuen Material zum Leben erweckte wurde uns klar, dass darin eine Kraft schlummert, (…) das ist ein Geschenk, das wir so nicht erahnt haben. Insofern sehen Sie mich als einen sehr glücklichen Produzenten, der plötzlich einen Film hat, den Real Fiction ins Kino bringen kann, von dem wir gar nicht ahnten, dass daraus irgendwann ein Film werden könnte.“
Über die Zeit
ER: „Was mich dabei besonders bewegt hat war die Zeit, die vergangen war. Wenn man das erlebt, dass man sich selbst als 35jährigen vor einer Mädchenklasse sieht und mit Begeisterung da etwas über Film erklärt, und dann sieht man sich wieder als 90jährigen, da fragt man sich, ist das jetzt derselbe Mensch? In der Erinnerung ist das natürlich eine lückenlose Geschichte, ich habe diese Jahre wirklich erlebt, aber was ist von dem, was man damals war, immer noch übrig? Und dieselbe Frage stellen sich die Frauen, die ganze Klasse ja auch. Man sieht sich als Kind und fragt, wo ist dieses Kind geblieben, ist es immer noch in mir? Und wo ist das kindliche Interesse, das ich damals hatte, geblieben? Und das Erstaunliche ist, dass wir miteinander erlebt haben, dass das weiterlebt: Das, was uns damals erfüllte, ist immer noch ein Teil von uns, und das ist eine sehr bewegende Erfahrung, und so etwas hat man in den Künsten nicht darstellen können bevor es den Film gab. Der Film hat uns die Möglichkeit eröffnet, Zeit miteinander in Berührung zu bringen, man sieht eine lebende Person im Alter von 13 Jahren und im Alter von 70 Jahren und die schauen beide in die Kamera und man fragt sich, was ist in diesen Augen immer noch das Gleiche? Und da ist etwas, das unverändert bleibt, und das ist, was ich Kino nenne. Das ist diese Selbsterfahrung mit der Zeit, die dabei entsteht, und deshalb ist dieser Film für mich mehr als nur ein Bericht über diese Wiederbegegnung und diese Erinnerung an den Filmunterricht und auch das bildungspolitische Anliegen, das darin steckt (…), viel interessanter ist die Tiefenpsyche, die Frage, was ist eine Person?“
Film als Kunst und die Magie des Kinos
ER: „Das ist ja das eigentliche Erlebnis, diese Zeitwahrnehmung, dass das in einem Schnitt direkt nebeneinander kommt, und da fragt man sich, ist diese Frau wirklich das Mädchen von damals, und was ist vom Charakter, der Denkart und der Wesensart noch zu spüren? Und lebt das Mädchen von damals noch in der Frau? Das ist ja etwas was im Film dargestellt werden kann, das gibt es sonst in der Kunst gar nicht, z. B. in der Literatur kann man das ja gar nicht so aneinanderbringen. In der Zeit, als ich in München studierte, war das Thema Film tabu, Film war sozusagen in akademischen Kreisen nicht satisfaktionsfähig, man hat den Film nicht zugetraut, ein Kunstmedium zu sein, und das Hauptargument meiner Professoren war dann immer, die Kamera sehe nur das äußere, die Kamera sehe nicht in die Herzen und Gemüter hinein, und das ist vollkommen falsch. Das ist ja genau, was wir bei dieser Gelegenheit entdecken und auch die 13jährigen Mädchen entdecken, dass man mit der Kamera ja in die Menschen und die Welt hineinschauen kann, und dass trotzdem das äußere Bild mit abgebildet wird, wo gibt es das sonst? Das ist die eigentliche Magie des Kinos.
Das Archiv des Edgar Reitz und der Stellenwert der Super 8-Filme der Mädchen
JA: „Bei der Premiere auf der Berlinale habe ich bereits gesagt, man hat so etwas wie einen dokumentarischen Spezialeffekt, man kann einfach mit einem Schnitt 55 Jahre überbrücken, und das hat mir viel Spaß gemacht, zu entdecken, iwe das Material aus sich selbst heraus lebt, und das liegt zum größten Teil daran, dass wir diesen wunderbaren zweistündigen Film hatten, den Edgar damals für das BR-Fernsehen gedreht hat. Wir alle waren sehr gespannt auf dieses Klassentreffen, und das überträgt sich direkt auf den Film. (…)
Edgar ist einer der am besten organisierten Menschen die ich kenne. Er hat aus in seinem Archiv einen Kasten geholt, da waren die Super 8-Filme drin und die Drehbücher (IF: „… und die Abendzeitung-Filmkritik von „Ponkie sieht fern“ …), unglaublich, … Wir haben dann all diese Filme digitalisiert und angeschaut, die waren zwischen 3 und 5 min lang und geschnitten, der Schnitt kommt in unserem Film leider nicht vor, da die Cutterin [Beate Mainka-Jellinghaus] damals nicht gefilmt werden wollte. Es gab mit ihr einen richtigen Schnittunterricht, aber sie war nicht nicht zu überzeugen, dass sie vor die Kamera tritt. Das ist etwas, was bei Filmleuten nicht ungewöhnlich ist, die wollen immer im Dunklen bleiben. Wir haben uns also diese Filme angeguckt und die sind, wie der Vater auf dem Elternabend sagt, von unterschiedlicher Qualität, aber was dann passierte, als diese Stummfilme liefen, und die Frauen ihre Werke von damals frisch anschauten und kommentierten, das hat mich einfach umgeworfen, ich hätte mir das nicht vorstellen können, (…) wie die Filme durch die zusätzlichen Erzählungen wieder zum Leben erweckt wurden, (…) ich kannte die Filme vorher und dachte ’naja, unterschiedliche Qualität …‘, und durch die Kommentare war ich nachher hin und weg.“
IF: „Als der Film im letzten Jahr auf der Berlinale Premiere hatte sagte ein Kommentator er wünschte, diese Kurzfilme seien im Wettbewerbsprogramm der Berlinale gewesen. Das ist natürlich fürchterlich übertrieben ;-)“
Filmtechnik damals und heute
ER: „Wir haben damals das Super 8-Material und diese Geräte benutzt, weil man natürlich an professionelle Geräte nicht herankam. Die Filmbranche der damaligen analogen Zeit war nach außen auch ein bisschen verschlossen, weil sie sich auf eine Technik stützen konnte, die nicht jeder einfach benutzen konnte. Eine Filmkamera im Profibereich kostete ein Heidengeld, da ging das alles in die Millionen, wenn man einen Film machen wollte. Mit dem Super 8-Gerät konnte man immerhin die Regeln, die für den professionellen Film gelten, auch im Kleinen anwenden. Also z. B. die Frage was ist ein Objektiv, eine Großaufnahme, eine Kamerafahrt, was ist überhaupt die Zeit im Film, was ist der Schnitt, wie entsteht eine zeitliche Kontinuität, wie kann ich versuchen, das Innere eines Menschen darzustellen, wo ich doch nur die Oberfläche filme … all diese Grundfragen des Filmemachens konnte man damals mit diesen Geräten erkunden und so konnten wir die Brücke zum professionellen Film über diese Super 8-Geräte finden. Heute hat jeder ein professionelles Gerät in der Tasche. Mit den Handys kann man Filme machen, die auf der großen Leinwand [technisch] bestehen. Aber was machen die Leute mit ihren Handys? Machen sie da jetzt mehr Filmkunst als früher oder ist das Verständnis für den Ausdruck des Films gewachsen? Ich würde sagen eher nicht, eher ist der Umgang als wenn ein Analphabet eine große Bibliothek zu Hause hätte.“
Der Ursprung des Projekts und die Bildungspolitik
ER auf die Frage, wie es zu dem damaligen Projekt kam: „Die Deutschlehrerin der Klasse hat den Kontakt zu mir gesucht, sie war auch die Deutschlehrerin meiner Tochter Susanne, die zwei Klassen darunter war. Sie fragte, ob ich Interesse an einem solchen Projekt habe, und ich war von Anfang an begeistert. Das passte genau in mein Konzept, denn ich war ja Dozent an einer Filmhochschule in Ulm, die wir dort gegründet haben, der [Alexander] Kluge und ich. Und dann dachte ich, jetzt wollen wir doch mal versuchen, die Unterrichtsmethode und Didaktik, die wir für den akademischen Bereich entwickelt hatten, auf die Kinderebene zu übersetzen, denn das ist dann wirklich die Probe auf die Wahrheit. Das ging praktisch natürlich nicht ohne weiteres, man hat die Direktorin der Schule angesprochen und die hat sich dann tatsächlich an die städtische Schulbehörde gewendet und die Erlaubnis eingeholt. Die Bedingungen waren, dass der Unterricht in der Schule in der Klasse stattfindet, und dass immer eine Aufsichtsperson aus der Schule anwesend ist, was dann eingehalten wurde. Es gab später ein bisschen Querelen, als ich mit den Schülerinnen in Cafés ging und auf die Straße und als wir dann Themen aufgriffen die nicht in der Schule waren, aber das ist dann doch recht glimpflich gegangen.“
„Etwa zwei Monate lang hatten wir jeden Samstag Filmstunde, und zwar den ganzen Vormittag, denn bis wir alles aufgebaut hatten, unser Licht eingerichtet usw. war ja der halbe Tag schon vergangen. Wir haben versucht, das Klassenzimmer ein wenig in ein Studio zu verwandeln. Wenn Sie hinschauen sehen Sie, dass wir einen Teppich gelegt hatten (…) und auch unter der Decke hatten wir Tücher ausgehängt, damit hat sich die Akustik in dem Raum verändert, das hatte sofort Folgen für den Umgang miteinander: Sofort hörte man sich gegenseitig zu. Es gibt so einfache Maßnahmen, die sofort großartige Folgen haben, … wenn ich heute in ein Klassenzimmer komme fällt mir zuerst die verheerende Akustik auf. Warum kommt man nicht auf die Idee, Klassenräume akustisch so zu gestalten, dass die Schüler sich auch untereinander verstehen oder dass das gesprochene Wort überhaupt noch ein Mittel ist untereinander.“
Zielsetzung der Projekte 1968 und 2023
ER: „Den Ausdrucksreichtum des Selbermachens im Film haben nur wenige Menschen. Das finde ich schade, denn wenn das nicht entwickelt ist, dann ist auch das Filme sehen, das Filme begreifen begrenzt. Es war ja nicht mein Ziel in diesem Unterrichtsversuch, lauter Filmemacherinnen aus den Schülerinnen zu machen. Die sollten ja nicht nachher alle Regisseurinnen und Autorinnen werden, sondern sie sollten ein besseres Publikum werden. Sie sollten verstehen lernen, wie die Sprache hochentwickelter Filmkunst funktioniert um so etwas auch vergleichen und bewerten zu können und genießen zu können. Das war das Ziel, und ich glaube, davon sind wir immer noch weit entfernt.“ „Wir müssen neu sehen und hören lernen.“
„Es war nicht unsere Absicht, lauter Filmemacherinnen zu erzielen, sondern ein besseres Publikum zu kreieren, Interesse am Film zu wecken. In den Schulen müssen ja auch z. B. Aufsätze geschrieben werden, aber deswegen werden die doch nicht alle Schriftsteller. Oder wenn wir in der Schule lernen, die Grammatik der deutschen Sprache zu verstehen, ganze Sätze zu bilden, uns verständlich und schön auszudrücken, sodass wir verstehen, dass die Sprache nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern auch ein ästhetisches Mittel ist, dass es Schönheit in der Sprache gibt, all das wird vermittelt, und das können wir beim Film genauso. Deswegen müssen die jetzt nicht alle Filmemacher werden, sondern sie werden einfach das bessere Publikum, und das hätte enorme Folgen, denn wenn wir lauter solche Schülerinnen als Publikum hätten, dann würden die Kinos blühen.“ [IF: „Keines der Mädchen ist Filmemacherin geworden.“]
JA: „Es gab viele medienpädagogische Initiativen und Edgar war noch an einigen davon beteiligt, aber unser Anspruch war, dass das Thema raus muss aus dem Projektcharakter, aus der Liebhaberei einzelner Lehrer und in die Lehrpläne aufgenommen werden muss, das ist der einzige Weg, auf dem man die heute so wichtige Medienkompetenz über die Filmbildung hinaus erreichen kann. Die jungen Menschen werden mit all den digitalen Suchtmitteln völlig allein gelassen, das ist eine riesengroße Gefahr, heute viel mehr als damals. Man muss darauf beharren, dass das wirklich Eingang in die Curricula findet.“
ER: „Das wirft natürlich die Frage auf, wer sind dann die Lehrer? Da müsste einiges vorausgehen, damit die Kompetenz auch wirklich von kompetenten Leuten vermittelt werden kann. Ich habe dazu mal einen Vorschlag gemacht: Es gibt ja in jedem Jahr so viele Abgänger die Filmschulen, in Deutschland gibt es schätzungsweise in jedem Jahr etwa 100 neue Regisseure, die wenigsten davon können gleich ihre ersten Filme machen, alle sind sie auf staatliche Förderung angewiesen, und man könnte doch z. B. eine Regel einführen, dass jeder, der seinen Film gefördert sehen möchte, ein paar Wochen oder Monate Unterricht in einer Schule nachweisen muss.“
„In Frankreich, wo ja überhaupt das Kino im kulturellen Leben einen höheren Stellenwert las bei uns hat, gibt es eine Regelung, die besagt, dass Schüler/innen an den Vormittagen ins Kino gehen können, das wird ihnen als Unterrichtsbesuch angerechnet, sofern sie nachher in der Klasse über das Gesehene referieren. Die Kinos dort machen alle Vormittagsvorstellungen für Schüler/innen, die die Schule schwänzen.“ „Diese Regelung hat der Kulturminister Jack Lang eingeführt, der sehr cinephil war. Überhaupt sind die Franzosen sehr an der Filmkunst interessiert, sie ist dort großer Teil des Bildungswesens, die Franzosen gehen dreimal so oft ins Kino wie die Deutschen.“
ER (im Film): „Leider ist dieser Versuch gescheitert. Aber er ist auch über Jahrzehnte gescheitert und es gab auch außer mit andere vitale Kämpfer, die es auch nicht geschafft haben.“
Leider gab es seit der Premiere auf der Berlinale, wo die Forderung nach einer curricularen Verankerung der Filmbildung klar formuliert wurde, keine Aufmerksamkeit geschweige denn Reaktionen aus den Kreisen der für Bildung verantwortlichen Menschen.
Auf die Nachfrage einer Zuschauerin berichtete Verleihchef Joachim Kühn von einem interessanten Projekt in Köln: „Wir als Verleih sind in Köln ansässig und betreiben dort auch Kinos. Im Rahmen eines Projektes haben wir als Kino eine Patenschaft für eine Schule übernommen, d. h. wir sind für diese Schule in jeder Filmfrage Ansprechpartner. Einmal jährlich veranstalten wir eine Woche ‚Eine Schule geht ins Kino‘, da sehen dann alle Jahrgänge einen Film, aber auch über das Jahr können Fachlehrer bei uns anfragen und recht unkompliziert eine Filmveranstaltung verabreden.
Hoffen wir, dass auch FILMSTUNDE_23 auch von Schüler(inne)n und Lehrer(inne)n wahrgenommen wird und so auch in Schulen Früchte trägt.
FILMSTUNDE_23 in den Medien
Fernsehreportagen
Am 6.1. berichtete die 3sat-Kulturzeit über Filmstunde_23
Am 7.1. berichtete das br-Magazin kinokino (ab min 7:50) (Auszug aus dem oben verlinkten Kulturzeit-Bericht)
Kritiken
Filmkritik von Silvia Hallensleben auf epd Film vom 20.12.2024
Filmkritik von Niklas Michels auf kino-zeit.de
Filmkritik von Jaschar Marktanner auf film-rezensionen.de vom 25.2.2024
Filmkritik von Lida Bach auf moviebreak.de
Filmkritik von Maria Feckl auf artechock.de
Presseberichte
… finden Sie samt Zitaten daraus ab sofort auf einer eigenen Seite.