Informationen rund um die HEIMAT-Trilogie von Edgar Reitz

Wissenswertes rund um die Trilogie

Der Titel HEIMAT

Es gibt verschiedene Versionen der Geschichte, die letztlich dazu geführt hat, dass der zur damaligen Zeit noch arg historisch vorbelastete Titel HEIMAT gewählt wurde. Ausgangspunkt der Geschichte ist die Überlegung von Edgar Reitz, den Film Geheischnis (Hunsrücker Platt für Nähe, Wärme, Geborgenheit). „Die Leute vom Kamera-Team haben [jedoch] „Heimat“ auf die Klappe geschrieben, weil sie das Wort Geheischnis damit assoziierten.“, so Edgar Reitz in einem Interview mit der SZ 2010.

Parallel dazu bestand (als Reaktion auf die US-amerikanische Serie „Holocaust“; Edgar Reitz war nicht damit einverstanden, dass deutsche Geschichte mit Mitteln des Hollywood-Kinos verfilmt worden war) die Idee, den Film „Made in Germany“ zu nennen. Dieser Titel ist auf dem Stein zu sehen, der im Vorspann des Filmes auftaucht, der dann aber mit HEIMAT überblendet wird (in der digital restaurierten Fassung wurde diese Inschrift retuschiert).

Auch in den Tagesdispos ist der Arbeitstitel „MADE IN GERMANY“ zu finden, interessanterweise zunächst (Mai 1981) noch ergänzt um dem Zusatz „(HEIMAT)“, später (Januar 1982) nicht mehr.

Marga Molz betont in einem Interview mit dem SWR (und immer wieder auch in persönlichen Gesprächen), ihr Mann Rudi habe Edgar Reitz überzeugt: „‚Edgar, wenn ihr den nit HEIMAT nennt, guckt ihn niemand‘ … und da kam er ‚Rudi, du hast gewonnen!'“.

Den Ausschlag für die Entscheidung mag seinerzeit Bernd Eichinger gegeben haben, der Reitz mit einem ökonomischen Argument überzeugte: „Wenn du ihn HEIMAT nennst, dann finanziere ich dir die Premiere im Prinzregententheater.“


HEIMAT – doppelt mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet

Regisseur und Autor Edgar Reitz, sein Co-Autor Peter Steinbach und Bildgestalter Gernot Roll wurden für HEIMAT gleich zweimal mit einem Grimme Preis ausgezeichnet:

Beim 21. Adolf Grimme Preis 1985 erhielten Sie für die Episode Hermännchen den Preis in Gold in der Sparte Fernsehspiel. Das Kuriosum dabei: Die Serie konnte nicht als Ganzes ausgezeichnet werden, da seinerzeit keine entsprechende Sparte existierte. Um diese Lücke zu schließen erfanden die Verantwortlichen im Grimme-Institut (Marl) die Kategorie Spielserie, in der HEIMAT dann als Ganzes beim 22. Adolf Grimme Preis 1986 mit Gold ausgezeichnet werden konnte.

Die damalige Begründung der Jury finden Sie hier.


Wo ist das Kriegerdenkmal?

Das reale Vorbild des Denkmals in Morbach-Hundheim

Ein bis heute nicht geklärtes Mysterium rankt sich um den Verbleib des Kriegerdenkmals aus HEIMAT. Im Film wird es 1922 feierlich dank Eduards „Denkmalenthüllungsmechanismus“ auf dem Dorfplatz von Schabbach eingeweiht, und 1969 auf den Friedhof verlagert. Das links zu sehende reale Vorbild des Denkmals, für den Film als Styroporattrappe hergestellt, steht in Morbach Hundheim, einst Wohnort des Großvaters von Edgar Reitz.

„Nachdem die letzte Klappe gefallen war, entzündete sich an der Kopie aus Styropor und Gips ein Streit. Bei den Dreharbeiten hatte sie hauptsächlich in der Ortsmitte von Woppenroth, VG Kirchberg, gestanden, später in Griebelschied, VG Herrstein. Dort sollte sie offenbar entsorgt werden, wie dem Leiter des Simmerner Hunsrück-Museums Fritz Schellack vor Jahren erzählt wurde. Der Griebelschieder Gastwirt Horst Neef sollte dies wohl tun. Doch weil der Wagen, auf dem die Kopie stand, zunächst anderweitig benötigt wurde, sei sie zunächst abgeladen und in dessen Scheune gestellt worden.

Nach der Ausstrahlung brach der große Rummel über Woppenroth herein. Viele „Heimat“-Freunde kamen in den Hunsrück auf der Suche nach Schabbach. Die Woppenrother hätten gern die Styropor-Figur wieder aufgestellt. Eine Abordnung sei damals nach Griebelschied gefahren, um die Filmrequisite zurückzubekommen, erinnert sich Toni Sulzbacher (82), damals Bürgermeister von Woppenroth. Damals muss es zu Auseinandersetzungen gekommen sein. Gerd Neef, Sohn des verstorbenen Gastwirts, will sich zu dem Thema deshalb nicht mehr äußern. Die Frage, ob sich die begehrte Requisite weiter im Besitz der Familie befindet, beantwortet er ebenfalls nicht. Schellack jedenfalls, der mit Neef weitläufig verwandt ist, hofft darauf. Er würde sie gern mit anderen „Heimat“-Requisiten im Museum zeigen.“ (Ilse Rosenschild im Trierer Volksfreund, 13.11.2009)


Wiederholungstäter

Es gibt zwei Menschen, der in allen drei Teilen der Trilogie eine Sprechrolle hatten, nämlich die Hunsrücker Reinhard Moosmann und Wilhelm Gräff.

Moormann spielte in HEIMAT den Korbmacher (Vater von Hänschen), in Die zweite Heimat Schnüsschens Vater, und in HEIMAT 3 den Mann mit dem Ziegenbock.

Der 2006 verstorbene Wilhelm Gräff aus Gehlweiler (von den Einheimischen auch „Peiferwilhelm“ genannt), der gegenüber vom Simon-Haus wohnte und somit nicht nur im Film der „ewige Nachbar“ der Simons war, kommt ebenfalls in allen drei Teilen mit Text vor. In HEIMAT gibt er Hermann auf dem Friedhoff eine Nachhilfestunde in Hunsrücker Platt, in Die zweite Heimat begegnet er Hermann bei seinem abschiedslosen Aufbruch nach München und erkundigt sich, wo seine Mutter sei, und in HEIMAT 3 erinnert er sich im Gespräch mit Rudi Molz daran, wie Marias letzte Kuh abgeholt wurde.


Profis und Selbstdarsteller

Besonders in HEIMAT 3 ist Edgar Reitz dem Prinzip gefolgt, Laiendarsteller in Rollen zu besetzen, die ihrer tatsächlichen beruflichen Profession entsprechen. Zum Beispiel Herbert Piel aus Boppard, der im richtigen Leben Fotojournalist ist, Antons Arzt Walter Wagner oder Busfahrer Karl-Heinz Kaiser, der im Film Antons Chauffeur spielt.

Einen Schritt weiter geht Reitz noch, wenn er diese Personen dann auch sich selbst spielen lässt, beispielsweise Bestatterin Gisela Pick aus Rhaunen, den Musiker David Moss, Ministerpräsident Kurt Beck und Karl-August von Dahl, (inzwischen im Ruhestand befindlicher) evangelischer Pfarrer in Bell und Ikone der Hunsrücker Friedensbewegung.


Rudi Molz

Rudi Molz (Mitte) mit Eva Maria Schneider und Woppenroths Bürgermeister Toni Sulzbacher im Gasthaus Molz anlässlich des 10jährigen Jubiläums von HEIMAT 1994 (aus dem Nachlass von Eva Maria Schneider)

Eine Person, der leider nicht mehr vergönnt war, sich selbst zu spielen, war der Woppenrother Gastwirt Rudi Molz. Wir erleben die Figur in HEIMAT 3, wie Edgar Reitz es Hermann sagen lässt, als „Gastwirt von Schabbach und, wie ich finde, die gute Seele des Dorfes“. Rudi Molz verstarb leider Anfang 2002 vor Beginn der Dreharbeiten an den Folgen eines tragischen Unfalls, sodass die Rolle mit einem Schauspieler besetzt werden musste, verständlicherweise ebenso die Rolle seiner Frau Marga, die im Film Lenchen heißt.

Rudis Filmgrab auf dem Friedhof an der Nunkirche bei Sargenroth wurde nachträglich in Ernst Molz umbenannt.


Das geheimnisvolle Kästchen

In Die zweite Heimat und HEIMAT 3 gibt es zwei Szenen, in denen ein geheimnisvolles Kästchen vorkommt.

In HEIMAT 3 sehen wir während der Milleniums-Silvsterfeier die scheue Mieterin, die in Berlin über Gunnar gewohnt hat, wie sie mit einem Kästchen in der Hand nach Gunnar sucht, und dieses letztlich resigniert auf einem Stehtisch abstellt und die Feier verlässt.

In der zweiten Heimat taucht das Motiv während der Hochzeitsfeier von Hermann und Schnüsschen auf. Im Drehbuch heißt es dazu: „In diesem Moment ertönt ein greller Schrei. Es ist Anikki, der Rob im dunklen Garderobenkämmerchen ein mysteriöses Kästchen gezeigt hat. Niemand begreift diese Anspielung.“ (Edgar Reitz, Die Zweite Heimat. Chronik einer Jugend, München 1993, S. 599)

Die Anspielung bezieht sich auf eine Szene in Luis Buñuels Film „Belle de jour“ (1967), in der ein asiatischer Kunde Belle de jour ein Kästchen zeigt, dessen Inhalt dem Zuschauer aber verborgen bleibt. Buñuel beantwortete die Frage nach dem Inhalt des Kästchens stets mit „Was Sie wollen!“ (siehe zum Beispiel hier). Kurios ist, dass das Geschehen im Fuchsbau auf 1964 datiert wird, während Belle de jour erst drei Jahre später (nämlich ab dem 15.9.1967) in deutschen Kinos gezeigt wurde.

Edgar Reitz, Shirley Knight und Luis Buñuel bei der Preisverleihung der internationalen Filmfestspiele von Venedig 1967

Edgar Reitz erzählt gerne von seiner Begegnung mit Buñuel bei der Preisverleihung der internationalen Filmfestspiele von Venedig 1967, wo Buñuel mit dem Goldenen Löwen und dem Pasinetti-Preis für Belle de Jour ausgezeichnet wurde, Reitz für Mahlzeiten als bestes Erstlingswerk. Er berichtet: „Bei der Preisverleihung saß ich dann neben Luis Buñuel. (…) Er sagte zu mir, ich müsse ihm etwas versprechen: ‚Wir wollen keinem verraten, was in dem Kästchen ist.‘ Er mochte das nicht verraten, und er meinte, ein Filmemacher durchblicke ihn irgendwie, als Kollege wüsste ich, was in dem Kästchen ist. Oder vermutlich hat der Filou damit auch gemeint, es ist nichts drin, und das verraten wir keinem.“ Und so habe er die scheue Mieterin das Kästchen da hinstellen lassen, „damit in dem Film auch etwas vorkommt, was nicht erklärbar ist.(…) So viel zum Spiel, das man sich leisten können muss.“ (E. R. im Pro-Winzkino Simmern am 14.10.2018 anlässlich der Vorführung von HEIMAT 3)


Stanley Kubrick und Edgar Reitz

Stanley Kubrick, der große, leider bereits 1999 verstorbene Regisseur, war ein großer Bewunderer von Edgar Reitz. Er sagte über ihn und die HEIMAT:

„Wenn Film einmal den Stellenwert von Literatur haben wird, dann wird die HEIMAT von Edgar Reitz in einem Atemzug genannt werden müssen mit Shakespeares Hamlet und Goethes Faust.“

Stanley Kubrick

Über Kubricks Schreibtisch hing das Foto mit dem im Gewitter auf der Straße zurückgelassenen Sarg Marias. Nach Kubricks Tod 1999 gelang es Jan Harlan, geb. 1937 in Karlsruhe, Bruder von Kubricks deutscher Frau Christiane, Edgar Reitz davon zu überzeugen, die Synchronregie der deutschen Fassung von Kubricks letztem Film Eyes wide shut zu führen. Dies war ein großer Wunsch Kubricks gewesen, dem womöglich größten Perfektionisten unter allen Regisseuren, der in Reitz offenbar einen Seelenverwandten erkannte. So entstand eine gute Verbindung zwischen Reitz und Harlan, der zum Beispiel zu Gast bei der Premiere von HEIMAT 3 in München und bei der Gala zum 80. Geburtstag von Edgar Reitz 2012 in Mainz war.

In einem Interview mit der Weltwoche (Zürich) sagte Harlan 2014: „Stanley war (.) begeistert von Edgar Reitz. 1984 war er vollkommen hingerissen von dessen Filmreihe «Heimat». Die hat er geradezu aufgesogen. Ich kann mich noch genau erinnern, wie wir uns den Film zusammen ansahen. Während einer Szene meinte Kubrick, so etwas habe er sein ganzes Leben noch nie gesehen.“

In der Reihe Carte Blanche: Stanley Kubrick des Deutschen Filmmuseums Frankfurt hat Jan Harlan 2017 HEIMAT gezeigt und dazu eine wundervolle Einführung gegeben. Hier wird deutlich, dass es sich bei der im Interview 2014 gemeinten Szene um „Das Fest der Lebenden und der Toten“ im letzten Teil handelt.

Im Interview mit der WELT haben Edgar Reitz und Jan Harlan 2015 ihre Erinnerungen ausgetauscht. In der 2013 vom WDR produzierten Radiosendung Stanley Kubrick – Ein Leben für den Film hat auch Edgar Reitz großen Anteil.

Information auf den Seiten des Deutschen Filmmuseums anlässlich der großen Kubrick-Ausstellung 2014.

Eine lange Nacht über Stanley Kubrick auf der Seite des Deutschlandfunk.


Familienbande

In HEIMAT 3 sind drei Darsteller zu sehen, deren Eltern schon in HEIMAT mitspielten:

  • Der Vater von Julia Prochnow (Moni), Otto Prochnow, spielte in HEIMAT den Polizeichef.
  • Der Vater von Ingo Lang (Lothar Welt, Antons Schwiegersohn), Arno Lang, spielte in HEIMAT den Uhrmacher Robert Kröber.
  • Die Mutter von Doris Bredel (Frau Weirich, Antons Sekretärin), Gertrud Bredel, spielte in HEIMAT die Großmutter Katharina.
Doris Bredel, Jutta Altmeyer, Henry Arnold und Elisabeth Assmann in HEIMAT 3 (Film 4)

Außerdem stehen in HEIMAT 3 auch Eltern und ihre Kinder gemeinsam vor der Kamera, z. B. Patrick Mayer (Matko) und sein Vater (als wartender Busfahrer) in der Szene, in der Matko aus der Schule flieht, oder Jutta Altmeyer als Antons Tochter Gisela und ihre Mutter Elisabeth Assmann als Antons Haushälterin Hanni (siehe auch nächstes Kapitel). Und Constance Wetzels Sohn Keno Spiekermann spielt auch im Film ihren Sohn Mathias Paul Anton Simon.


Familienbande (2)

Die Hunsrücker Familie, die wohl mit Abstand am stärksten an den Produktionen beteiligt war, ist die Familie Assmann / Altmeyer aus Gehlweiler.

  • Elisabeth Assmann, die Großmutter (2018 verstorben), spielte in Die zweite Heimat die Mutter von Schnüsschen und in HEIMAT 3 Hanni, die Haushälterin von Anton. Bei HEIMAT coachte sie in Sachen Landwirtschaft, brachte unter anderem Maria (Marita Breuer) das Melken bei.
  • ihre Tochter Marliese Assmann spielte die Appolonia in HEIMAT und unterstützte bei HEIMAT 3 das Catering.
  • ihre Tochter Jutta (verh. Altmeyer) spielte in HEIMAT 3 Antons Tochter Gisela und Die zweite Heimat die Schwägerin von Schnüsschen. Hinter den Kulissen war sie aktiv als Dialektcoach für Maria und Paul in HEIMAT und für Gustav, Jettchen, Frau Niem, Olm und Florinchen bei Die andere Heimat, außerdem unterstützte sie am Set, z. B. bei der Absperrung.
  • ihr Mann Jörg Altmeyer spielte in HEIMAT 3 Antons Schwiegersohn Hans Gall, in HEIMAT einen Schulfreund von Hermann und einen Auswanderer in Die andere Heimat. Jörg war außerdem hinter der Kamera als Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Gehlweiler in HEIMAT 3 verantwortlich für mehrere Wassereinsätze (Ernst Museum, Container, Brücke, Traumsequenz in Woppenroth, …), zudem in Die andere Heimat verantwortlich für Brandschutz im Filmdorf.
  • Juttas und Jörgs Töchter Christine und Susanne spielten Christine und Susanne, die Kinder von Hans und Helga Gall. Susanne war zudem bei Die andere Heimat als Assistentin der Aufnahmeleitung bei Olli Cohn aktiv, Christine als Dorfbewohnerin und Kirmestänzerin vor der Kamera und unterstützte die Absperrung am Set.
Elisabeth Assmann, Christine, Jörg, Jutta und Susanne Altmeyer (2004)

Edgar Reitz und das Pro-Winzkino Simmern

Seit langem besteht eine gute und enge Verbindung zwischen Edgar Reitz und dem vielfach für sein Filmprogramm ausgezeichneten Pro-Winzkino in der Hunsrücker Kreisstadt Simmern. So konnte Edgar Reitz nicht nur das Rohmaterial von HEIMAT 3 direkt im Kinosaal sichten, das Pro-Winzkino ist auch stets sehr engagiert in der Organisation und Ausrichtung von Premieren oder Aufführungen rund um die Filme von Edgar Reitz, und einige der ehrenamtlichen Mitarbeiter haben auch schon häufiger vor der Kamera von Reitz gestanden, zum Beispiel bei der Millenniums-Silvesterparty am Günderrodehaus in HEIMAT 3. Aber auch sonst haben die Pro-Winzler Spuren in den Filmen von Edgar Reitz hinterlassen. Am – im wahrsten Wortsinn – plakativsten im letzten Film von HEIMAT 3, wo Hermann Simon auf dem Weg zur Beerdigung seines Freundes Rudi Molz durch die Simmerner Innenstadt vorbei am Pro-Winzkino zu einem Fotoladen geht. Sehen Sie selbst …


Ulrike Meinhof

In Die zweite Heimat, Film 12, beschreibt Edgar Reitz, wie das Filmteam und Rob und Stephan bei den Dreharbeiten in Berlin im Sinne der damaligen Zeit in einen ideologischen Diskussions- und Reflexionsprozess einsteigt, der die Dreharbeiten massiv behindert, wobei letztlich die Kamera „für revolutionäre Zwecke“ zweckentwendet wird.

Etwas ähnliches hat Edgar Reitz in Rahmen der Dreharbeiten von Cardillac tatsächlich erlebt. Ulrike Meinhof (!) „entlieh“ schließlich die Kamera, um damit Bambule zu drehen, einen Film, für den sie das Drehbuch geschrieben hat und der die autoritären Methoden der Heimerziehung in einem Mädchenheim kritisiert (online hier anzusehen). Cardillac wurde erst später mit Hilfe nachgedrehter Szenen 1969 in München fertig gestellt.

Reitz beschreibt diesen Vorfall im Buch Edgar Reitz erzählt von Thomas Köbner und Michelle Koch (Hrsg.), München (etk) 2008, S. 65ff.


Ansgar och Evelyne

Im schwedischen Wikipedia fand ich den Hinweis auf den Song „Ansgar & Evelyne“ von Kent, einer der populärsten schwedischen Bands. Eine Aufnahme des Songs finden Sie hier.

Ur en klar himmel faller bomben ner
Vi ligger tysta i en krater, ler
När vi ser vår samtid brinna ner
Och jag ska skydda dig med kroppen min
Luften svider när vi andas in
Har alltid sett oss som Ansgar & Evelyne
Vi ska fylla våran stulna bil
Med dyra klockor och dexedrine
Souvenirer från en tid då vi var svin
Och du har tagit mig från kylan in
Från tysk hårdrock till Charles Valentin
I min bok är du för evigt Evelyne
Och som jag önskar att du var här nu
Jag vill bara höra dina hjärtslag
Och som jag önskar att vårt krig tog slut
Jag har lärt av mina misstag
Och du är lika ensam som jag

Aus dem klaren Himmel fallen die Bomben herab
Wir liegen still in einem Krater, lachen
Wenn wir unsere Zeit niederbrennen sehen
Und ich soll dich mit meinem Körper beschützen
Die Luft beißt wenn wir sie einatmen
Habe uns immer als Ansgar & Evelyne gesehen
Wir sollen unser gestohlenes Auto auffüllen
Mit teuren Uhren und Dexedrin
Souveniers aus einer Zeit als wir Schweine waren
Und du hast mich aus der Kälte genommen
Vom deutschen Hardrock zu Charles Valentin
In meinem Buch bist du ewig Evelyne
Und wie ich wünschte, dass du jetzt hier wärest
Ich möchte nur deinen Herzschlag hören
Und wie ich wünschte, dass unser Krieg aufhörte
Ich habe aus meinen Fehlern gelernt
Und du bist genau so einsam wie ich.

Text: J. Berg, Quelle: kent.nu; Übersetzung: Hans Uwe Petersen (herzlichen Dank!).


Saxophonmusik in HEIMAT 3

Ist Ihnen die Saxophonmusik in Film 4, Allen geht’s gut, aufgefallen? Es scheint, dass mehrere Instrumente und Spieler aktiv sind, weil der Klang nie absetzt. Tatsächlich handelt es sich allerdings im ein live eingespieltes Solostück des Münchener Jazz-Saxophonisten Michael Riessler, der eine Atemtechnik entwickelt hat, mit der es ihm gelingt, den Ton lange Zeit ohne Atemunterbrechung zu halten.

Das Bild zeigt Michael Riessler (rechts) gemeinsam mit Henry Arnold und Salome Kammer auf der Bühne im Foyer des Prinzregententheaters München anlässlich der Deutschlandpremiere von HEIMAT 3 (September 2004).


Das Günderrodehaus – Filmkulisse oder Denkmal?

Das Günderrodehaus in den Weinbergen über Oberwesel wurde eigens für den Film an seinen Platz transloziert. Die Besonderheit dabei: Zunächst musste es in Gestalt einer Ruine dort entstehen, um dann quasi im Film restauriert zu werden. Ursprünglich hat das Haus aus dem Jahr 1730 in Seibersbach im Hunsrück gestanden.

Die Genehmigung für den Aufbau der Kulisse erteilte die Stadt Oberwesel nur für die Dauer der Dreharbeiten, danach habe der Ort wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden müssen. Als das Haus allerdings erst einmal stand, kamen schnell Überlegungen auf, es an der Stelle zu belassen. Und als dann die Kommission, die über die Anerkennung des Mittelrheintals als Weltkulturerbe urteilen sollte, das Haus als besonderes Highlight erkannte, gab es kein Zurück mehr.

Heute beherbergt das Haus einen gastronomischen Betrieb (eröffnet im September 2005), aktuell (Anfang 2021) ist der Ausbau zu einer luxuriösen Hotelanlage geplant.

Hier finden Sie einen Bericht des damals verantwortlichen Architekten Uwe Rumeney zu dem Projekt.


Wie schreibt man Günder(r)ode?

Diese Frage stiftete im Oktober 2005 Verwirrung im Oberweseler Rat. Während man in der Region frühzeitig zur Ein-R-Lösung übergegangen war (so auch die Praxis der RHZ) verlangte Edgar Reitz, den Namen der Dichterin auf Hinweisschildern zum Filmhaus etc. mit Doppel-R zu schreiben, so wie Sie es auch im Drehbuch und seit jeher auf diesen Seiten finden.

Dass keine der beiden Parteien Unrecht hat, zeigt der Google-Test: Mit „Günderode“ erzielt man ca. 36000 Treffer, mit „Günderrode“ ca. 22000. „Günderrodehaus“ liefert hingegen 133 Treffer, während Günderodehaus nur ca. 100 mal anschlägt.
Für Kommentator Ingo Lips von der RHZ ist die Lage klar: „Der Schöpfer des „Günderrodehauses“ ist Edgar Reitz. Er bestimmt, wie sich das Ding schreibt, unabhängig davon, wie die Nachwelt Karoline von Günder(r)ode orthographisch behandelt.“
(Quelle: RHZ vom 27.10.2005, S. 9)

Das Problem löste sich übrigens in Wohlgefallen, als man im Rat feststellte, dass (offenbar versehentlich) bei der Beschilderung bereits die Schreibweise mit Doppel-R gewählt wurde.


Hermann-Simon-Straße

… die gibt es tatsächlich, im Westen von Gütersloh. Benannt ist sie allerdings nicht nach unserem „Schabbacher Hermännsche“, sondern nach dem (im übrigen nicht unumstrittenen) einstigen ärztlichen Direktor (1919-34) der dortigen Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt (heute: LWL-Klinikum).