Am Samstag, 20.10., wurde bei den Musiktagen von Donaueschingen das Projekt "Ortswechsel" uraufgeführt. Informationen zu diesem "Multimedia-Projekt für Ensemble, Frauenstimme solo, zwei Schauspieler, Live-Video und Film" von Edgar Reitz finden Sie Sie auf der Homepage von Edgar Reitz sowie auf den Seiten des SWR.
Weitere Links:
Interview mit Edgar Reitz auf
Suedkurier.de.
Eine
Werkbeschreibung sowie
Bilder von den Proben und Interview mit Johannes Kalitzke auf
swr.de.
Die Darbietung fand in der Presse ein geteiltes Echo, wie die folgenden Zitate belegen:
"Am meisten beim diesjährigen
Festival irritierte wohl das Film-Musik-Projekt von Edgar Reitz und Johannes
Kalitzke. Ihnen ging es um das Verhältnis von wirklicher und filmischer
Realität, um Fragen des Raums und der unterschiedlichen Zeitgestaltung von Musik
und Film. Das wurde bewusst an konventionellen Formen des Genres aufgehängt:
eine „spannende“ Story (Entführung, Verfolgung, Erotik) mit das Bild
unterstreichender Musik. Wer den Plot ernst nahm (Altmännerfantasie, Kitsch,
konventionelle musikalische Gestaltung), der übersah wohl das Eigentliche. Denn
geschickt wurde hier mit unterschiedlichen Wahrnehmungsformen gespielt. Der Film
löste sich direkt aus dem Publikum heraus, das „vor Beginn“ (im Grunde schon die
erste Täuschung) wie in einer Spielerei der Kameraleute abgefilmt und auf die
Leinwand projiziert wurde (mit den Mechanismen des Winkens in die Kamera et
cetera). Dann steht inmitten der Menge eine Frau auf, ein Handy ruft sie, sie
eilt, von den Kameras verfolgt nach draußen. Ein Mann folgt ihr und langsam
rutscht das Ereignis ab in ein Filmgeschehen. Denn die Leinwand zeigt, was
draußen geschieht. Dazu erklingt live gespielt die Musik von Kalitzke, die Tempi
strukturiert und ihrerseits auf filmische Klänge (etwa in einer Nachtbar)
reagiert. Ein Vexierspiel zwischen unterschiedlichen Realitätsebenen, das zum
Schluss wieder mit der zur Sängerin mutierenden Schauspielerin (Salome Kammer)
in den Konzertsaal zurückkehrt. Musste das über besagte Klischees abgehandelt
werden? Vielleicht nicht, der Plastik aber war es zuträglich, denn man hatte
Gewohntes vor Augen, um das es aber gar nicht ging."
Quelle: Neue
Musikzeitung, der Bericht war seinerzeit online unter http://www.nmz.de/nmz/2007/11/bericht-donaueschingen.shtml
abrufbar.
"Ein Reißer war die erste Zusammenarbeit des Filmemachers Edgar Reitz mit dem
Komponisten und Dirigenten Johannes Kalitzke. Ortswechsel heißt der pop-moderne
Stummfilm, der das Publikum in zwei sich lautstark bekämpfende Lager spaltete.
Zu Beginn sieht man den Auftritt der Musiker sowohl im Saal wie auf einer großen
Leinwand, dann setzt die Musik ein.
Plötzlich irrt ein Scheinwerferkegel durch den Saal. Eine Frau in rotem Kleid
springt auf und rennt hastig aus dem Raum, dicht gefolgt von einem jungen Mann.
Das weitere Geschehen sehen wir auf der Leinwand: eine virtuose Verfolgungsjagd.
Auf einmal findet der zunehmend verschwitzte junge Mann rote Lackschuhe, immer
wieder meint er, die Frau zu sehen, zu spüren. Durch geschickte Dramaturgie und
neueste Digitaltechnik wandert das rot gekleidete Subjekt der Begierde
regelrecht durch den Kopf des Mannes. Morphing-Effekte, Spiegelungen, ein
ständiges In-die-Irre-Führen sorgen für Krimispannung. Johannes Kalitzke
entfesselt mit dem Ensemble Modern einen wahren Klangrausch voller
Akkordgeklapper und aufgeheizten, leicht angejazzten Rhythmen. Zum Schluss
verliert sich der Mann vollends in der Film-Matrix, während die gesuchte Dame
ganz einfach zurück in den Zuschauerraum kommt und ein reales Lied von Liebe und
den Wirrnissen der Realität zum Besten gibt."
derstandard.at
"Herausragender Höhepunkt wurde dagegen der »Ortswechsel« des Duos Edgar
Reitz als Regisseur und des Komponisten Johannes Kalitzke. Die Musik war hier
auskomponiert, während das Schauspielerpaar zunächst aus dem Publikum heraus
live agierte und improvisierte und vom Kamerateam dann innerhalb Donaueschingens
begleitet wird. Die instrumentale Nähe einer Live-Stummfilmbegleitung wurde mit
dieser Live-Verfilmung, dem Vexierbild eines Beziehungsdramas, in greifbare Nähe
gerückt."
Reutlinger General-Anzeiger, der Artikel war seinerzeit online
unter http://www.gea.de/detail/844257 abrufbar.
"Genau davon,
allerdings in meisterlicher Art, war die Rede in «Ortwechsel», einem «Suchspiel
für Live-Video, Film und Musik» von Johannes Kalitzke und Edgar Reitz, dem Autor
der berühmten «Heimat»-Serie. Kaum hat das Stück begonnen, erhebt sich im
Publikum eine Frau; es ist die Sängerin Salome Kammer, die, von einer
Videokamera verfolgt, verwirrt den Raum verlässt. Wohin sie geht und was ihr
geschieht, erlebt man dann in einem vorproduzierten Stummfilm in Farbe, der mit
raffinierten Überblendungen verschiedene Realitäten erzeugt und verspielt mit
Zitaten vom «Dritten Mann» über den frühen James Bond bis hin zur «Heimat»
selbst arbeitet. Dazu kommt, jetzt wieder live, das Ensemble Modern und die
Musik seines Dirigenten Johannes Kalitzke, von deren Raffinement man gerne mehr
wahrgenommen hätte, wäre es nur möglich gewesen. Unmöglich war es, weil das
Optische die Aufmerksamkeit ganz auf sich zog und das Klingende zur Untermalung
degradierte. Schärfer hätte man die Macht der Bilder und die Ohnmacht der Klänge
nicht erleben können."
Neue Zürcher Zeitung
"Bei Edgar Reitz’ und Johannes Kalitzkes „Ortswechsel“ war die dicht und
expressiv komponierte Musik Zutat zum „Suchspiel“ für Live-Video, Film und
sinfonisch besetztes Ensemble Modern. Der Schauspieler Stefan Hunstein lief aus
der Konzertsituation der Donauhalle hinaus in die nächtliche Stadt, wo er Salome
Kammer als rätselhafte Frau verschiedener Identitäten und Begierden in
filmischen Projektionen verfolgte. Am Schluss des Psycho-Vexierspiels fanden
sich die beiden in der Halle wieder, und Kammer sang: „Dunkle Gedanken
schlummern / von deren Kommen und Gehen ich nichts weiß“. Das fanden manche
Zuhörer doch recht banal und hätten gerne auf das filmische Crossover
verzichtet."
Eßlinger Zeitung
"Filmemacher Edgar Reitz ("Heimat") beehrte die Musiktage mit einem
Originalbeitrag. Und so gab es eine modernere Version eines Stummfilms mit einer
hervorragend auf den Film abgestimmten Musik, geschrieben von Johannes Kalitzke
und durch zwei Schauspieler mit einer weiteren Ebene angereichert. Der Witz an
dem Projekt (Titel: "Ortswechsel"), der sich leider rasch verflüchtigte, ist das
Ineinanderblenden von Vor-Ort-Geschehen und Filmwirklichkeit."
morgenweb.de
Eher enttäuschend verlief auch die Donaueschingen-Premiere des Filmemachers
Edgar Reitz, den man aus der Serie "Heimat" kennt. Sein Film "Ortswechsel" ist
eine abgedroschene, ins Mystische überhöhte Beziehungsgeschichte.
Die Welt
Von fast noch bedeutenderer expressiver Beredtheit war Johannes Kalitzkes
Partitur "Ortswechsel", die sich listig als Filmmusik hinter einer
kinematographischen Fingerübung von Edgar Reitz (mit Live-Beteiligung der
Darsteller Salome Kammer und Stefan Hunstein) zu verstecken schien, dann aber
doch spürbar gegenüber der augenzwinkernd klischeehaften optischen Komponente an
Eigengewicht gewann.
Frankfurter Rundschau, einst online unter http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?sid=9ef7c632706b525927a5126ca3f34a9f&em_cnt=1230669.