Informationen rund um die HEIMAT-Trilogie von Edgar Reitz

Zu Besuch bei Karin Rasenack in der Lüneburger Heide

„Ich habe sehr viel gespielt und bin sehr viel gereist,
das könnte man über mein Leben schreiben.“

Karin Rasenack im Gespräch mit Thomas Hönemann, www.heimat123.de, am Abend des 6.8.2021.

Zwei große Leidenschaften prägen ihr Leben, bekennt Karin Rasenack, nämlich das Spielen und das Reisen. Und das Schauspiel betreibt sie wahrlich mit Leib und Seele: „Wenn ich arbeite, dann focussiere ich mich sehr stark darauf, so war das immer, ‚ich muss spielen und ich muss das gut machen‘, leider auch mit der Konsequenz, dass ich Dinge im Außen, die von Bedeutung sind, nicht immer genug wahrgenommen und bedacht habe, sodass mir dann einige andere Möglichkeiten verwehrt blieben, leider. Ich habe schon viele schöne Sachen gemacht, aber ich hätte auch noch ein paar schönere machen können …“

Th. H. „Aber zu den schönen zählt mit Sicherheit HEIMAT?“

K. R. „Ja, absolut, und das Erstaunliche ist, es wächst mit der Zeit. Ich hatte niemals Mühe mit dieser Rolle, Edgar sagte ‚du machst das schon‘. Ich habe die Freiheit genossen, die Rolle zu gestalten, habe z. B. meine Sätze noch abgeändert … und trotzdem habe ich manchmal gedacht ‚meine Güte, die geht da durch die Gegend wie eine Dampfwalze, aber die ist ja gar keine Dampfwalze … ich mit meiner Power und Vitalität habe da manchmal durchaus gedacht, ‚ist das alles richtig‘? Wenn ich das heute sehe, das ist so modern wie ich das spiele, es ist wirklich an der Grenze, Lucie ist eine Figur an der Grenze, und das finde ich eigentlich ganz toll. Ich habe das damals gar nicht so wahrgenommen, aber heute sehe ich das und denke, es ist wirklich gut. Heute hat man einfach viel mehr Verständnis für Charaktere, die an die Grenze gehen. Die Zeiten haben sich geändert, es gibt viel mehr Menschen, die auf solch einem hohen Level fahren.“

Th. H. „Das stimmt, und man muss das ja zudem nicht nur unter dem Zeitpunkt der Entstehung Anfang der 80er Jahre betrachten, sondern erst Recht bezogen auf die Zeit in der es spielt, also die 1920er und nachfolgenden Jahre …“

K. R. „So ist es. Aber eben auch vom Spielen her … manche haben ja auch gesagt, es sei ein bisschen viel, aber aus heutiger Sicht finde ich die Balance, auf der diese Frau sich befindet, ganz wunderbar, es gibt eben solche Menschen die genau so hoch laufen wie die Lucie …“

Th. H. „… und dann als Kontrastprogramm in Schabbach im Hunsrück auftauchen, als Gegenpol, der der ganzen Geschichte auch eine große Dynamik verleiht, die ganz wichtig für die Geschichte ist, und ausgerechnet an den Eduard gerät …

K. R. „… ja, sie ist das Salz in der Suppe, und sie mag den Edu natürlich auch, aber sie sieht für sich eben auch die Chance aus diesem Berlin rauszukommen, in ‚jute Verhältnisse‘. Aber statt auf den ‚Jütern‘ seines Vaters landet sie in der Küche.“ (lacht)

Th. H. „Wie sind Sie denn damals zu der Rolle gekommen?“

in ihrer ersten Szene als Lucie in HEIMAT © ERFilm

K. R. „Das ist eine schöne Geschichte. Edgar hat mein Bild von einer Bekannten in Berlin bekommen, die damals beim SFB arbeitete, weil man nach Schauspielern suchte, die den Berliner Dialekt beherrschen. Jedenfalls hat er dann für diese Rolle drei Menschen gehabt, deren Bilder er auf seinen Nachttisch gestellt hat, mit denen wollte er innerlich kommunizieren. Und eines Morgens sagte er, ‚die gucke ich mir jetzt genauer an‘. Ich bekam dann einen Anruf und wurde nach Koblenz eingeladen, ans Deutsche Eck, ‚ganz vorne an der Spitze drehen wir. Nehmen Sie vom Bahnhof ein Taxi, wir nehmen Sie dann dort in Empfang.‘ Ich kam also dort an, und natürlich hatte ich mir überlegt, was ziehe ich an? Ich wusste ganz wenig über die Rolle, aber doch so viel, dass ich eine Auswahl treffen konnte. Ich trug so hohe Hacken, aber so witzig, Sandalen, nicht so elegante Schuhe, enge Hosen und eine kleine Leopardenfelljacke, keine echte aber eine sehr schöne, mit so hohen Schultern. Ich stieg aus dem Taxi und versank sofort mit einem Absatz im Modder der Wiese. ‚Jetzt stehe ich da‘, dachte ich, ‚da ganz vorne, da musst du hinlaufen, dort wo die Leute sind, mit diesem Outfit‘. Ich arbeitete mich über die Wiese vor zum Drehort, sackte mal da ein und dort, endlich angekommen sagte man mir aber ‚tut uns leid, Frau Rasenack, aber wir sind überhaupt noch nicht so weit‘. Edgar habe ich da noch gar nicht kennen gelernt. ‚Bitte lassen Sie sich in ein Café fahren, wir holen Sie da dann so schnell wie möglich ab.‘ Ich saß stundenlang in diesem Café. Damals war ich sehr an Bhagwan interessiert, und las dort das Buch von Jörg A. Elten über sein Zusammenleben mit ihm, Ganz entspannt im Hier und Jetzt. So fühlte ich mich dann tatsächlich auch. Und irgendwann – nach Stunden – kam dann endlich dieses Auto, man hat sich sehr bei mir entschuldigt und war froh, dass ich überhaupt noch da war. Wir stiegen ein, Edgar musterte mich, ‚aha, jaja, aha …‘, wir fuhren zum Essen, und er hat wirklich gleich gesagt, ‚ja, Sie sind Lucie‘. Erstaunt entgegnete ich ‚woher wollen Sie denn das wissen‘? ‚Ich habe Sie über die Wiese gehen sehen, und so geht nur Lucie, mit diesen Schuhen und dieser Haltung‘.“

Th. H. „Ihre erste Begegnung mit Edgar Reitz. Sie sagten bereits, Sie wussten zu dem Zeitpunkt noch nicht viel über die Rolle, hatten also noch kein Exposé oder Drehbuch erhalten …?“

K. R. „… nein, ich kannte wirklich nur ein paar Worte. Edgar hatte eigentlich ja auch noch ein paar Kolleginnen in der Auswahl. Aber nun war ja alles ganz schnell klar. Und so ging die Sache los.“

Th. H. „Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Drehtag?“

K. R. „Oh ja, das war ja gleich eine ziemlich schwierige Szene, nämlich das Kennenlernen mit Edu …“

Th. H. „… also ‚Nacht innen‘ mit Schauplatz Berlin. Wurde tatsächlich in Berlin gedreht?“

K. R. „Nein, in Wiesbaden. Das ist gut geworden, aber diese Szene war zum Einstieg sicher nicht leicht. Andererseits, wenn ich bedenke, was ich bis dahin schon alles gespielt hatte, richtig hochkarätige, große Theaterrollen …“

Th. H. „Die Rolle der Lucie erscheint Ihnen nach meinem Gefühl ja wirklich auf den Leib geschrieben. Besser gesagt, Sie haben die so gespielt, dass gewissermaßen eine Verschmelzung stattgefunden hat, Sie waren die Lucie für eine Zeit, so habe ich es empfunden.“

mit Rüdiger Weigang in HEIMAT © ERFilm

K. R. „Das ist völlig richtig. Aber Edgar hat sie auch tatsächlich so geschrieben, wirklich gut geschrieben. Auch diese Szene da in der Villa mit der Marita [Breuer] die mich da besucht, köstlich, diese ganze Unzufriedenheit, der Tiger muss raus, eigentlich hat die sowieso gar keine Kopfschmerzen, die muss nur raus! (lacht herzlich) Und dann auch sehr sehr schön wenn ich mit Edu nachts die Kiesgrube runterlaufe, im Regen, man sieht den ja auch, aber wir wollten und sollten das einfach so spielen, als regnete es nicht. Oder diese wundervolle Szene, die Gernot Roll auch bei jedem späteren Treffen noch erwähnte, wie die Lucie nach dem Besuch der Nazi-Größen in der Küche sitzt, ihre Füße im Backofen wärmt und jammert ‚dat in diesem Hunsrück ooch nischt passiert, nischt wo’n Mensch mal dran wachsen kann …‘.“

Th. H. „Erinnern Sie sich noch an Beispiele dafür, wie viel Karin Rasenack in der Lucie steckt, wie Sie also die Rolle ganz konkret gestaltet haben?“

K. R. „Es ist meine Vitalität, die in ihr steckt, es ist auch mein Berliner ‚Mensch du Edu, …‘-Humor, ich hab ja den Edu erfunden, seitdem ich zum ersten Mal aus der Lamain ‚Edu‘ gesagt hatte hieß der am Set nur noch Edu. Es ist wesentlich das Temperament, das ich ihr gegeben habe, und das ‚noch einen drauf geben‘, dieses Verrückte, das hat sie von mir. Edgar hat eine wunderbare Vorlage gegeben, aber so etwas, diese Spitzen, diese Vitalität und natürlich auch der Humor, das kann man in einem Drehbuch gar nicht so vorgeben. Und die Szene als die Amerikaner kommen, ‚was machen wir mit all den Kleidern?‘, ich habe gesagt, ‚die ziehe ich alle übereinander‘, das kam von mir. Und dann eine weitere Lieblingsszene, ‚He Boys, nehmt ihr wohl die Pfoten weg von meiner laundry‘, oder die Fahrt im Jeep durch Schabbach mit dem Fähnchen am Hut, da ist auch vieles von mir, da ist meine humoristische Begabung aufgeflammt, die ich aus diesem trockenen Berlinerischen ziehe.“ (lacht)

Th. H. „Die Reaktionen auf HEIMAT, diese Euphorie, haben Sie das erwartet?“

K. R. „Ich muss gestehen, damals war ich noch nicht so weit, das so zu erwarten und damit umzugehen. Mein Leben war ja bis dahin hauptsächlich Theater. Ich habe zum Beispiel nicht mitbekommen, dass nach der Ausstrahlung von HEIMAT im Fernsehen in Berlin eine große Pressekonferenz stattfand. Während der Premiere in München ging ich mit Edgar durch den Englischen Garten. Wir hatten vorher gesprochen: ‚Willst du da rein? Nein, ich kann das gar nicht aushalten …‘ Aus heutiger Sicht finde ich das nicht mehr richtig, man muss sich dem stellen, man muss sich auch den Leuten stellen … Zu dieser Pressekonferenz in Berlin hätte ich natürlich hingehen müssen, aber ich war nicht darüber informiert worden. Ich wäre sogar extra aus Spanien angereist, wenn ich es gewusst hätte. (…) Heute würde HEIMAT ganz anders präsentiert und vermarktet werden, das ist ja damals alles gar nicht ausgeschlachtet worden.“

Th. H. „… aber ich glaube HEIMAT könnte unter den heutigen Bedingungen der Branche, insbesondere der Schnelllebigkeit und dem Leistungs- bzw. Kostendruck, gar nicht mehr in der Form entstehen. Das kann man sich doch heute gar nicht mehr vorstellen, dass ein Ensemble über längere Zeit gemeinsam ein Dorf bevölkert, und dann dort auch die Freizeit miteinander verbringt, beispielsweise im Gasthaus von Rudi und Marga Molz …“

K. R. „Ja, da haben Sie Recht, das waren ganz andere Zeiten … als ich dann damals aus dem Hunsrück wegging war ich ganz offen, ‚mal sehen was dabei rauskommt‘, dachte ich, aber wenn ich jetzt sage ‚ich möchte irgendwann in meinem Leben nochmal in den Hunsrück‘, das ist erstaunlich, weil ich das eigentlich nicht so in meinem Leben vermutet habe. Das hat nun natürlich auch mit dem Lebensalter zu tun …“

Th. H. „Sie haben das Reisen als Ihre große Leidenschaft neben dem Schauspiel genannt …?“

K. R. „Ja, eine ganz große Leidenschaft, ich bin ja die Reise-Tante schlechthin, ich habe Reisen gemacht, zum Beispiel war ich schon zweimal auf Papua-Neuguniea, habe dort sogar schon einige Tage bei den Eingeborenen gelebt. Das fing schon ganz früh an, ich war in der elften Klasse, da habe ich schon zu meiner Freundin gesagt, ‚du hör mal, wollen wir los?‘ Damals fing es gerade so an, dass auch Mädels trampten, ‚du, wir sagen wir machen eine Radtour, und dann lassen wir die Räder einfach irgendwo …‘. Dann haben wir uns mit den Rädern an die Avus gestellt, die Räder später in Freiburg stehen gelassen und dann sind wir in die Provence, das war immer ein Traum von mir, in Avignon am Pont du Gard ganz vorne liegen, und später hat uns ein älterer Mann, ein Franzose der in Marokko lebte, mitgenommen, der hatte in seiner Jugend Vincent van Gogh noch persönlich kennen gelernt, und der fuhr uns überall hin, weil er das natürlich sein Leben lang studiert hatte, das werde ich nie vergessen. In der Arena von Arles haben wir Lorenzaccio mit Gérard Philipe gesehen. Nach der Provence sind wir dann von Marseille aus mit einem Schiff nach Korsika gefahren, das war wunderbar, wir sind an Plätzen gewesen, wo sonst niemand hinkam, damals war das so etwas wie heute Papua ist … Da hat das schon angefangen, in der elften Klasse.“

Th. H. „Zur Insel Formentera besteht offenbar eine besonders starke Beziehung …?“

K. R. „Ja, das stimmt, eine ganz besondere Beziehung, ich liebe diese Insel. Ich war ja zum ersten Mal 1973 auf Formentera, das war großartig. Ich war ja diesen Hippies nie sehr nah, weil ich immer gearbeitet habe, so hatte ich einfach keine Zeit, Hippie zu sein, aber die zu sehen und mitzuerleben, die ganze Atmosphäre, das war sehr sehr schön. Dort habe ich dann mir meinem ersten Mann, Hanno Lunin, mit dem ich auch heute noch sehr gut befreundet bin, das erste Haus gebaut …“

als attraktive Aussteigerin Anna in Mutschmanns Reise (1981) © NDR

Th. H. „… und dort ist ja auch unter seiner Regie ein Film entstanden, Mutschmanns Reise, in dem Sie ja auch eine sehr freiheitsliebende, unabhängige Frau spielen …“

K. R. „Ja, das stimmt. (lacht) Auf Formentera habe ich mit meinem zweiten Mann ja viele Jahre später einen wunderschönen kleinen Laden gehabt, in dem wir Kleidung, die von einem auf Bali lebenden amerikanischen Designer aus echten alten indischen Saris angefertigt wurden, verkauften. Das Geschäft lief bombig. Irgendwann, nach 7 oder 8 Jahren, bin ich dann zurück, weil ich wieder spielen wollte … ich habe mich bei meinen Freunden und Bekannten in der Branche zurückgemeldet, egal ob Theater, Fernsehen oder Synchron, und habe dann auch noch einige schöne Arbeiten gemacht, z. B. in der Hörspielserie Dorian Hunter und SOKO München (Der Golfsack), aber der große Hype kam leider nicht. Aber ich liebe die Arbeit. Beispielsweise Synchron, als ich damit anfing sagten alle ‚in diesem Geschäft kommst du nicht weit, das ist so schwer …‘, ich sagte, ‚ich fange erstmal mit ein paar Sätzen an‘, dafür musste ich manchmal über eine Stunde lang über Landstraßen zu den Studios in Hamburg gefahren, ich sagte trotzdem ‚ich komme, ich mach das‘. Und so hatte ich gut zu tun, das war mir wichtig, ich bin Skorpion, und Skorpione lieben Arbeit. Deshalb fällt es mir jetzt auch so schwer … ich habe ja immer gedacht, wenn du alt bist, dann lässt dieser Drang zu spielen nach. Aber es hört nicht auf, es denkt gar nicht dran, aufzuhören, das ist vielleicht ein guter Gedanke, den man sich bewusst machen sollte, wenn man jünger ist. Und ich bin dankbar für diese große Vitalität, die ich nach wie vor in mir spüre.“

Th. H. „Wann und wie entstand denn eigentlich Ihr Wunsch, Schauspielerin zu werden?“

K. R. „Ganz früh, schon mit sechs Jahren, da habe ich in einem Kindertheater Hänsel und Gretel gesehen, und als dann die Hexe kam und sprach, da habe ich gesagt, ‚das möchte ich auch machen‘! Ich wollte diese Hexe spielen. (lacht) Und später habe ich dann tatsächlich Hexen gespielt. (lacht) Mein Vater war sehr musisch, wollte Pianist werden, der hat in Berlin keine Theateraufführung ausgelassen. Der war so ein richtiger Berliner Arzt, mit Hochkultur und allem drum und dran … Ich bin mit meiner Mutter aufgewachsen, von ihr habe ich diese Liebe zur Arbeit und das Durchsetzungsvermögen gelernt. Die künstlerische Neigung kommt vom Vater. Es hieß bei uns immer ‚mach das Abitur, dann kannst du machen was du willst‘, und das habe ich dann auch. Das Abitur ist mir recht leicht gefallen, ich kann mich allerdings auch noch gut an diese Physiklehrerin erinnern, die mich an die Tafel holte um eine Formel zu Ende zu führen, daran bin ich elendig gescheitert, aber sie sagte dann ‚naja, Karin Rasenack, dann setzen Sie sich mal wieder, Sie wollen ja Schauspielerin werden‘. (lacht herzlich)

Th. H. „Das war also damals schon auch in ihrem Umfeld bekannt?“

K. R. „Ja, ich hatte zum Beispiel schon wunderbare Rollen im Schultheater gespielt, das war das Humboldt-Gymnasium in Berlin-Tegel, da gab es eine große Aula mit einer Bühne, und da habe ich schon richtig große Rollen gespielt, …“

Th. H. „… also damals schon durch Fließ und Leistung überzeugt …“

K. R. „… ja, völlig richtig. Das wusste also jeder, was mein Weg werden sollte, das hat niemanden gewundert …

Th. H. „Nach dem Abitur besuchten Sie die Max Reinhardt Schule …“

K. R. „… damals noch unter der wunderbaren Hilde Körber, die Schule war damals hoch angesehen, kurz darauf, 1964, ist sie ja leider in diese staatliche Schauspielschule übergegangen … Wir hatten Aufnahmeprüfung, da waren an drei Tagen hintereinander jeweils 200 Leute, also 600 Bewerber/innen, und ich war am ersten Tag die Einzige, die gleich richtig aufgenommen wurde, dazu dann noch zwei auf Probe.“

Th. H. „Wie viele wurden denn insgesamt von den 600 aufgenommen?“

K. R. „Wir waren nachher 11 oder so, jedenfalls eine sehr kleine Gruppe. Und ich werde nie vergessen, mein Lehrer Günther Hadank, der selbst noch unter Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin gespielt hatte, bei ihm habe ich die Lady Milford studiert, er sagte zu mir ‚kommen Sie mal nach vorne, machen Sie mal die und die Szene‘, auf die hatte ich mich auch vorbereitet, und dann hat er mit mir gearbeitet, so richtig wie man mit Schauspielern auch arbeitet, zwei Stunden hindurch. Und danach hat er zu mir ganz ernsthaft gesagt ‚Karin Rasenack, Sie brauchen nicht mehr zu mir zu kommen. Dankeschön.‘ Das war der Ritterschlag …“

Th. H. „Sie haben anfangs Bhagwan erwähnt, das hat mich neugierig gemacht, wie ist Ihre Beziehung zur Spiritualität?“

K. R. (lacht) „Ich hatte ja immer meine Gurus. (lacht) Es begann auf einer Tournee mit Pina Bausch in Indien …“

Th. H. „Das Tanztheater Wuppertal …“

in ”Die sieben Todsünden“, Tanztheater Wuppertal Pina Bausch © karinrasenack.de

K. R. „Genau. Ich bin mit Pina zu sehr vielen Festivals in der ganzen Welt gereist, immer mit Brecht/Weill, Die Sieben Todsünden und Fürchtet euch nicht, eine Zusammenstellung von Brecht/Weill-Songs, die Mechthild Großmann und ich gesungen haben. Wir waren nicht nur in Ostasien, sondern auch in Wien, Berlin, Paris, Nancy, Moskau, jeweils zu den großen Festivals. Das war schon grandios. Immer vierzig Minuten Applaus. Eine große und wichtige Person in meinem Leben, Pina Bausch … Ich liebe Indien, es ist so viel Wundervolles in Indien. Wir sind dort mit dem Zug nach Poona gereist, an einem spielfreien Tag ging ich durch die Straßen und habe dort die wunderschönen Menschen bewundert. Jemand sagt mir dann ‚das sind die Leute von Bhagwan Shree Rajneesh‘. Und ich dachte, wenn einer es schafft so viele schöne Leute um sich zu versammeln, dann muss da schon was sein. Am nächsten Tag bin ich in den Ashram gegangen, habe mich durchgefragt und konnte auch gerade so eine halbe Lektion von ihm mitkriegen. Und ich muss sagen, ich bin ein großer Bhagwan-Fan, gerade für unsere heutige Zeit ist er sehr bedeutend, und er hatte ja einen Humor und eine Ausstrahlung, eine Schlagfertigkeit und geistige Wachheit … Ich wäre auch gerne eine ganze Weile dort in Poona geblieben, aber ich musste mit Pina fahren, und das war gut so. Ich war dann später mit meinem zweiten Mann auch noch in Oregon, das hatte allerdings schon lange nicht mehr die Ursprünglichkeit von Poona, aber das war ein großes Erlebnis für mich. Dort hatte Bhagwan, der sich inzwischen Osho nannte, gerade eine Buddha-Hall für 10000 Leute errichten lassen, das war die Zeit wo er einige Jahre nur geschwiegen hat, und ich werde nie vergessen, wie der ganze Saal fieberte, es war eine unglaubliche Stimmung, dann kam er von der Seite in den Saal und setzte sich mit einer unglaublichen Grazie und feinem Schalk im Gesicht hin. Und auf seine Armbewegung hin, ‚higher‘, geriet dann der ganze Saal in eine unglaubliche Ekstase. Wir waren 10 Tage dort, es war nicht so beeindruckend wie Poona, aber er war eine unglaubliche Gestalt. Ich bin ja später auch noch nach Lucknow zu Papaji gefahren, und Saibaba habe ich auch mal getroffen auf meinen Wegen in Madras. Sie sehen, ich bin viel gereist und habe viel gespielt, das könnte man über mein Leben schreiben. Natürlich, dieses spirituelle Niveau kann man nicht immer halten, aber es ist da, man vergisst es nicht, es ist wie ein kleiner Schatz, den man tief in sich trägt.“

Th. H. „Wenn Sie einen Wunsch frei hätten …“

K. R. „… würde ich gerne HEIMAT noch einmal im Kino sehen, und zwar im Hunsrück!“

Th. H: „Da lässt sich ja vielleicht etwas machen. Liebe Karin, ganz herzlichen Dank für dieses sehr interessante und persönliche Gespräch.“


© Thomas Hönemann, www.heimat123.de, 8/2021. Zitation nur mit expliziter Angabe von Autor und Quelle (bei Online-Medien samt Verlinkung auf https://www.heimat123.de/karin-rasenack-im gespraech/).


Weitere Informationen über Karin Rasenack finden Sie auf ihrer Homepage www.karinrasenack.de sowie unter Heimat/Darsteller.