Informationen rund um die HEIMAT-Trilogie von Edgar Reitz

HEIMAT Fragmente – Pressereaktionen

HEIMAT-FRAGMENTE – DIE FRAUEN
 

ER mit Lulu-Darstellerin Nicola Schössler und Christian Reitz

Am Freitag, dem 2.9.2006, hat Edgar Reitz bei den internationalen Filmfestspielen von Venedig den Film „HEIMAT-FRAGMENTE – Die Frauen“ vorgestellt. Die Pressereaktionen darauf finden Sie hier. Ans Herz gelegt sei Ihnen besonders das interessante Interview mit Edgar Reitz auf Deutschlandradio Kultur vom 1.9.2006.


„Wie hat man sich eigentlich erinnert, bevor es das Kino gab mit seiner Rückblendentechnik, passenden Kostümen und dem Ausstattungsstil einer längst verloren geglaubten, vergessenen Zeit? Vergessen kann man ja im Handumdrehen. Erinnern dagegen ist Schwerstarbeit. Edgar Reitz hat das zum Thema seines Films „Heimat-Fragmente“ gemacht, dem einzigen deutschen Film, den man in Venedig in diesem Jahr einer Projektion für würdig erachtete.

Zwiebelchen sprang übers Feld und sprach: „Rund ist die Welt.“ Das hat die Großmutter immer gesagt, wenn ich fortlaufen wollte.

„Heimat-Fragmente“ ist philologischer Kommentar zur kolossalen „Heimat“-Saga mit vielen interessanten Fundstücken, zugleich nostalgischer Abschied vom Mammut-Projekt der Chronik eines Dorfes und seiner Bewohner in 30 Filmen. Und in seiner sprunghaften, assoziativen Erzählweise auch eine heilsame Zumutung im Festival-Betrieb, der meist auf Erzählkino setzt. Aus der Perspektive von Hermännchens Tochter aus erster Liebe, Lulu, wird die Chronik der Familie bis hin zu den 68er Jahren und den Wiedervereinigungsverwicklungen irgendwie noch einmal neu erzählt. Das alles als Traumstrom der Erinnerungen, denen Lulu nachforscht. Ein Film über das Erinnern an das Erinnern.

Es gibt so viele, viele, unendlich viele Situationen unseres Lebens aus frühen Zeiten, aus der Jugend, aus Erfahrungen der erste Liebe und was immer auch einem begegnet. Alles Erlebnisse, die einen mit einer gewissen Melancholie des Abschieds erfüllen würden, wenn wir nicht den Film hätten.

Edgar Reitz hat das Material gefunden, als er einsehen musste, dass der ehrgeizige Plan einer vierten Staffel des Filmprojekts wohl nicht realisiert werden würde. Er musste sein Büro verkleinern und fand jede Menge Kisten mit zum Teil schon fertig geschnittenen Szenen aus allen Teilen der „Heimat“-Filmserie. Manchmal habe er nicht einmal mehr gewusst, warum die eine oder andere Szene aus dem Film gekippt worden war. „Heimat-Fragmente“ ist auch ein Kommentar zum neuen deutschen Film und was er hätte werden können: Philosophen-Kino, statt Produzenten-Kino, in dem es immer nur um Geld, Macht und Ruhm geht.“ (…)

Josef Schnelle in der Deutschlandfunk-Sendung „kultur heute“ am 3.9.2006


„Eine Art Alterswerk stellte auch der 74-jährige Edgar Reitz in der Reihe „Horizonte“ vor. Aus nicht verwendetem Material zu seiner großen Fernsehchronik der Familie Simon hat er „Heimat, Fragmente“ zusammenmontiert, einen Rückblick, der freilich nur für Kenner und Liebhaber dieser Saga zu empfehlen ist. Es wird aus diesen Impressionen nämlich keine eigene Geschichte, sondern eher ein touristischer „Heimat“-Bilderbogen, durch den die mit Spaten und Bohrer herumlaufende Erzählerin Lulu (Nicola Schlösser) führen soll. Dieser legt Reitz überdeutlich Sentenzen in den Mund („Die Seele kennt keine Zeit“), die nur von ihm selber stammen können. In den „richtigen“ Filmen von „Heimat“ sind solche Sätze auch, aber viel seltener zu hören – dafür aber zu sehen.“

Rupert Koppold, Stuttgarter Zeitung online, 4.9.2006


Reitz sitzt etwas abseits, den Strohhut auf dem Kopf. Er hat hier gerade in der Sektion Orrizonti „Heimat – Fragmente“ präsentiert. Einer, der sich lösen will und nicht kann von dem Paralleluniversum, dass er sich, uns aufgebaut hat. Nach der letzten „Heimat“-Staffel, die er vor zwei Jahren hier in Venedig vorstellte, hat Reitz sein Büro aufgelöst – und noch sechs Stunden ungenutztes Material gefunden. Zwei davon hat er nun in eine Collage gefasst. Kein Film eigentlich, mehr ein Bonusmaterial für die ultimative „Heimat 1-3“-Gesamt-DVD-Collection. Und ein Essay über das Erinnern und das Vergehen. Nicola Schössler, die Lulu der letzten Staffel, sucht Orte ihrer Ahnen auf, und vor ihrem geistigen Auge rollen Sequenzen ab, die wir nie gesehen haben, mit Menschen, die wir sehr wohl kennen. Ein Wiedersehen und doch wieder keins. Ein Lösen, und doch ein Verharren. „Die Frauen“ hat Reitz seine „Fragmente“ untertitelt – Verweis auf einen weiteren Männer-Epilog? Nein, jetzt soll Schluss sein. Nach 25 Jahren will er keine Krokodilsträne vergießen: „Das ist mein Tränchen.“

Peter Zander, „Von Tränchen und Fragmenten“, Die Welt-online, 3.9.2006


Der vierte Teil der „Heimat“-Reihe von Edgar Reitz enttäuscht viele Zuschauer: Die „Fragmente“ sind kaum mehr als eine ziellose Montage von Bonus-Material. (…)

Umso schöner, dass es sie doch noch gibt, die kleinen Momente des Chaos. Erwischt hat es ausgerechnet „Heimat – Fragmente“ von Edgar Reitz, den deutschen Beitrag für die „Horizonte“-Reihe, neben zwei Kurzfilmen die einzige Spur von deutscher Beteiligung in Venedig überhaupt.
Erst mit einer halben Stunde Verspätung kann die erste Vorstellung beginnen, niemand weiß genau, was los ist, bis eine weibliche Stimme zerknirscht durchsagt, dass es wegen technischer Probleme diesmal leider keine italienischen Untertitel gibt. „Schämt Euch!“ ruft ein italienischer Journalist, Pfiffe hallen einzeln durch den Saal, ein kleines Stück zivilen Ungehorsams. Es ist wunderbar.
Fragmente für hartgesottene Fans
Nur wenige stehen auf und gehen, zu gespannt sind die meisten auf den inoffiziell vierten Teil der legendären „Heimat“-Reihe, die große Familiengeschichte aus dem Hunsrück, an der Edgar Reitz nun schon seit 1984 erzählt. „Heimat – Fragmente“ ist allerdings keine Fortsetzung sondern eher so etwas wie eine Zugabe. Aus den vorigen Filmen war einfach noch eine Menge Material übrig, das hat Reitz dann neu zusammen montiert, wäre ja auch schade drum gewesen. Um die Frauen der alt bekannten Familie Simon soll es gehen, um Lulu, Klärchen, Lucie und die vielen anderen, die über 145 Minuten wild und ziellos vor sich hin philosophieren. „Wieviel wiegen verlorene Gedanken?“, fragt sich Lulu (Nicola Schössler) zum Beispiel, hämmert zwischendurch stoisch auf einen Amboss ein und spricht mit magischen Pfützen und Baumhöhlen. Schwere Kost. Nach und nach bricht das Publikum ein, minütlich stehlen sich Verzweifelte aus dem Saal, übrig bleiben nur die ganz Harten. Auch die sehen am Ende nicht glücklich aus. (…)

Daniel Sander in seinem „Venedig-Tagebuch“, SPIEGEL online, 2.9.2006, http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,434861,00.html)


„Venedig (dpa) – Regisseur Edgar Reitz (73) hat mit seinem neuen Streifen «Heimat – Fragmente» eine eher kühle Aufnahme beim Filmfestival in Venedig gefunden. Zu einer ersten Pressevorführung am Freitag erschienen eher wenige Kritiker, zahlreiche verließen während der über zweieinhalbstündigen Vorstellung den Saal. (…)“

dpa-Meldung, Die Welt online, 2.9.2006


Einen ausführlichen Bericht zur Hunsrückpremiere in Simmern, 28./29.10.2006, finden Sie hier: Wochenspiegel Hunsrück, 7.11.2006