Die folgenden Synopsen der 11 Folgen von Edgar Reitz‘ HEIMAT sind an das Buch von Reinhold Rauh: Edgar Reitz – Film als Heimat, München (Heyne Filmbibliothek) 1993, S. 212-231 angelehnt und an zahlreichen Stellen von mir ergänzt und korrigiert worden. Sie wurden inzwischen in dem Handbuch Edgar Reitz: Die große Werkschau (Marburg 2018) veröffentlicht.
Die Bilder unterliegen dem Copyright der ERFilm.
Fernweh (1919-1928)
2. Mai 1919. Ein junger Mann im Feldmantel eilt langen Schrittes über einen Bergrücken. Paul Simon ist zu Fuß aus der Gefangenschaft in Frankreich zurückgekommen. Im Tal unter ihm liegt Schabbach, sein Heimatdorf. Wortlos und ganz selbstverständlich nimmt er dort wieder seinen Platz am Tisch in der Küche der Familie ein, bei Vater Mathias, Mutter Katharina, neben Bruder Eduard und Schwester Pauline. Allmählich scharen sich die Nachbarn um den Heimkehrer. Glockzieh erzählt: „In Kerbrich konnte man die letzte drei Johr den Kanonedonner von Frankreisch here. Und da sin mer auf die Straß gegange und hann uns de Kriesch angehert.“
Doch Paul wird nie wieder richtig in seiner Heimat ankommen. In seinem Fernweh wird er zum Radiobastler und kann schließlich mithilfe eines an einem Drachen befestigten Antennenkabels Radio Hilversum empfangen.
1922. Alois Wiegands Motorrad wird in der Jauchegrube des Wirts gefunden. Das neue Kriegerdenkmal wird bei strömenden Regen enthüllt. Und Paul hat sich in Apollonia verliebt, eine schwarzhaarige Schönheit, die beim Wirt als Bedienung arbeitet und von allen im Dorf nur „Zigeunerin“ geschimpft wird. Bald hält es Apollonia in der dörflichen Enge von Schabbach nicht mehr aus. Sie geht nach Koblenz, wo Paul sie zufällig trifft. Er erfährt von ihr, dass sie ein Kind mit einem Franzosen hat, der sie auch heiraten möchte.
Der Doppeldecker eines amerikanischen Piloten landet auf der Schabbacher Dorfwiese weil der Treibstoff ausgegangen ist, und Paul darf, nachdem Eduard und seine Freunde in Bernkastel Nachschub organisiert haben, am nächsten Tag sogar mitfliegen. Paul wendet sich in dieser Zeit immer mehr Maria zu, der Tochter von Alois Wiegand, der stets geschäftig hinter den neuesten technischen Errungenschaften her ist und ihn mit dem Bau eines Radios beauftragt hat, das feierlich bei einem Familienausflug in der Burgruine Baldenau eingeweiht wird. Paul und Maria heiraten.
1923. Pauline fährt mit Eduard nach Simmern und wird Zeugin, wie einem separatistisch gesinnten Juden die Fensterscheiben eingeworfen werden. Sie verliebt sich dort in den Uhrmacher Robert Kröber und heiratet ihn. Maria bekommt ihren ersten Sohn Anton, 1924 folgt Ernst.
Das letzte Ereignis des Jahres 1927 stürzt Maria ins Elend. Ihr Ehemann Paul steht vor der Schmiede am Simon-Haus, sagt noch, dass er ein Bier trinken wolle, und geht auf der zum Horizont zulaufenden Straße aus dem Dorf hinaus. Maria wird lange vergeblich nach ihm suchen.
1927 schlägt erstmals dem Luftikus und Hobby-Fotografen Eduard die Stunde. Er glaubt, zusammen mit Glasisch-Karl und Glockzieh im Goldbach nichts anderes als Gold gefunden zu haben. Es handelt sich aber lediglich um Kupferoxyd, und Eduard holt sich bei der Suche im eiskalten Bach eine lebenslange Lungenkrankheit. Noch eine Sensation passiert, als Paul im Wald eine nackte Frauenleiche entdeckt, ohne dass die gestrenge Polizei den Täter ausfindig machen könnte.
Die Mitte der Welt (1929-1933)
Maria ist immer noch auf der Suche nach ihm, als Paul längst mit anderen Emigranten auf Ellis Island in New York angekommen ist. Zu Hause in Schabbach sorgt derweilen eine von Paris nach Berlin reitende Französin für Aufregung und die Erkenntnis, Schabbach liege exakt in der Mitte der Welt.
Eduard Simon ist in Berlin, wo er in der Charité wegen seiner Lungenkrankheit behandelt wird. Eines Abends steht er verfroren vor einem großen Mietshaus. Drei hübsche Mädchen winken ihn herein und bieten ihm an, sich bei einem Cognac aufzuwärmen. Eduard folgt ihnen und ist über das freizügige Verhalten der anwesenden Damen recht erstaunt. Später erzählt Eduard Lucie, der „Chefin“ des Etablissements, dass er in der Landwirtschaftsbranche arbeite. Lucie: „Det Land, det Land!“ Andere Gäste lesen aus der Zeitung begeistert Auszüge aus Hitler-Reden vor. „Wir werden rücksichtslos gegen alle vorgehen, die anderer Meinung sind als wir!“ ist dabei zu hören. Als sich Lucie und Eduard zu einem Schäferstündchen zurückziehen, tönt es auch schon vom Brandenburger Tor her: „Sieg Heil! Sieg Heil! Sieg Heil!“.
Auch in Simmern im Hunsrück hört man im Januar 1933 die Rufe. Im April, als Eduard zusammen mit Lucie wieder in den Hunsrück zurückkehrt, ist endgültig eine neue Zeit angebrochen. Eduard stellt seiner erstaunten Familie seine Braut aus den „höchsten Kreisen der Reichshauptstadt“ vor: Lucie, die noch etwas erstaunt darüber ist, wie klein im Hunsrück die Großgrundbesitzer sind. Fortan arbeitet sie daran, zumindest aus ihrem Gemahl etwas Größeres zu machen. Alsbald stakst Eduard mit seinen breiten, schlenkernden Gesten in SA-Uniform durchs Dorf.
Angesichts dieses Einbruchs der großen weiten Welt in den engen Hunsrück äußert Katharina: „Eisch hann dat Gefühl, die ganze Welt lebt auf Pump. Enes Tages müsse mer des alles zurückzahle.“ Ihr kann man nichts vormachen, sie bleibt zeitlebens ihren Werten und Idealen treu.
Während in Schabbach „Hitler-Wecken“ verteilt werden und der Wiegand-Sohn Wilfried seiner Bestimmung als SS-Mann folgt, wird Katharina in Bochum zu Besuch bei der Familie ihres Bruders Zeugin, wie ihr Neffe Fritz aufgrund seiner kommunistischen Gesinnung von der Polizei abgeholt wird. Der ausführende Polizist meint beschwichtigend zu seiner Ehefrau: „Ihr Mann kommt nach Mühlheim ins Konzentrationslager. Da wird ihm der marxistische Geist ausgetrieben. Und wenn er wiederkommt, dann erkennen Sie ihn nicht wieder. Dann ist er frisch und klar im Kopf.“ Katharina versteht die Welt nicht mehr.
Weihnacht wie noch nie (1935)
Als Schabbach allmählich in das „globale Dorf“, in die durch Rundfunk und Telefon vernetzte Welt eingemeindet wird, ist auch aus Eduard dank Lucie etwas Großes geworden, nämlich Ortsbürgermeister von Rhaunen.
Das einäugige Hänschen, Sohn des Korbmachers, der im kleinen Häuschen am Ortsausgang lebt und als einziger Sozialist im Ort gilt, entdeckt in dieser Zeit seine Liebe zum Schießen. Eines Tages verfolgt er die neu in den Ort verlegten Telefonleitungen und gelangt schließlich an ein Konzentrationslager. Er beobachtet verständnislos auf die hageren Männer, die in gestreiften, labberigen Uniformen schwere Lasten schleppen müssen. Ein Soldat, der am Zaun patrouilliert, erkennt gleich, dass Hänschen mit dem einen verbliebenen Auge der geborene Scharfschütze sei. Hänschen geht also nach Hause, übt, wie ihm der Soldat geraten hat, und schießt mit seinem Luftgewehr der Reihe nach die Porzellanisolatoren der Telefonleitungen ab. Als ihn der Dorfpolizist dabei ertappt und Bürgermeister Eduard vorführt, ist der von Hänschens Talent begeistert. Er spricht auf seinen Untergebenen mit beschwichtigenden Worten ein („Martin, komm, lach emol!“) und lässt sich am Ortsrand von Hänschen seine Schießkünste vorführen. Er kann sich vor Begeisterung kaum halten, wenn wieder eine Porzellanhalterung in tausend Einzelteile zerspringt, und ist restlos überzeugt, dass Hänschen auf dem richtigen Weg ist – Scharfschützen hatten 1935 beste Berufsperspektiven.
Die gibt es aber auch für Eduard selbst, weil er eine tatkräftige Frau im Hintergrund hat. Sie strickt Kontakte zum Gauleiter und Namensvetter Simon und lässt, finanziert durch Kredite einer „Judenbank“, eine Villa erbauen, mit 52 Fenstern, wie die Villa auf Usedom, in der sie einst als Kind während der Sommerfrische lebte. Als sie dort der schneidige inzwischen akzentfrei hochdeutsch sprechende SS-Offizier Wilfried Wiegand aus Berlin mit einem Weihnachtsbaum im Kofferraum besucht ist sie restlos hingerissen. Selbst beim „Stille Nacht, heilige Nacht!“ in der katholischen Christmette im Hunsrückdom von Ravengiersburg lässt sie die Augen nicht von ihm. Kurz nach Weihnachten kommt aber in den Amtssitz von Bürgermeister Simon der ganz große Glanz. Drei Nazi-Größen aus Berlin haben sich dank Wilfrieds Vermittlung auf der Durchreise ausgerechnet Lucies und Eduards Villa ausgesucht, um darin höchst geheime Besprechungen zu führen. Leider reisen sie sehr schnell wieder ab und haben nicht einmal Zeit, die Häppchen zu essen, die Lucie für sie vorbereitet hat. Lucie ist völlig hingerissen von der Erscheinung der gespenstisch im Gegenlicht vorbeischreitenden Nazi-Größen. Sie malt sich Gelegenheiten aus, die Eduards Können richtig zur Geltung bringen könnten, der sich allerdings vielmehr eine Photoausstellung als eine Katastrophe wünscht, und resümiert schließlich resigniert: „Dat in diesem Hunsrück ooch nüscht passiert. Nüscht, wo’n Mensch mal dran wachsen kann …“.
Reichshöhenstraße (1938)
„Der Wind hat mir ein Lied erzählt, von einem Glück, unsagbar schön …“. Maria und Schwägerin Pauline sehen im Simmerner Kino „La Haberna“ mit Zarah Leander an. „Er weiß, was meinem Herzen fehlt und für wen es schlägt und glüht.“
Zuhause singen sich Maria und Pauline nochmals die Ohrwürmer aus dem Kino vor. Pauline gerät ins Schwärmen: „Einmal im Lebe nach ltalien, an de Gardasee!“, und erzählt dann von der neuen Kundschaft, den Arbeitern der Organisation Todt, die die Hunsrückhöhenstraße bauen und bei ihrem Mann Robert, dem Uhrenmacher und Schmuckhändler, nur den teuersten Schmuck verlangen. Totenkopfbroschen mit Rubinen sind jetzt außerordentlich gefragt.
1938 ist alles anders geworden. Auf dem sanften Höhenrücken fressen sich Stampfgeräte und Bagger tief in das Schiefergestein hinein. Bauarbeiter und Arbeitsdienstpflichtige aus allen Ecken des deutschen Reiches sind gekommen. Unter ihnen ist auch der Ingenieur Otto Wohlleben. Er ist im Haus der von ihrem Mann im Stich gelassenen Maria einquartiert worden, wo er am Abend besonders für Ernstchen, mit dem er Segelfliegermodelle baut, ein gern gesehener Spielkamerad und väterlicher Freund ist. Tagsüber vermisst er mit seinem Assistenten Pieritz die Strecke der künftigen Reichshöhenstraße. Eines Tages hat er einen Arbeitsunfall und wird von Pieritz mit geschientem rechten Arm nach Hause gebracht. Maria sorgt sich rührend um Wohlleben und füttert ihn sogar. Otto und Maria kommen sich sehr nah und gestehen sich beim Tanzabend schließlich ihre Liebe. Maria hat nach langen Entbehrungen ein kleines Stück Glück gefunden, dem auch Katharina mit Wohlgefallen zusieht.
Sohn Anton folgt in diesen Zeiten dem Vorbild seines verschwundenen Vaters und nimmt erste Fühlung mit der modernen Technik auf. Sein Interesse gilt optischen Geräten wie dem Filmprojektor, den er geschenkt bekommen hat. Alle Kinder der Nachbarschaft scharen sich um ihn, wenn er in der Scheune Wochenschaufilme über das Nürburgringrennen auf ein weißes Leintuch projiziert.
Lucie erhält Besuch aus Berlin. Ihre ehemalige Kollegin Martina ist gekommen und lädt auch gleich die frauenhungrigen Straßenarbeiter, die sie auf dem Weg getroffen hat, zu „sächsischen Quarkkeulchen“ ein, was Lucie allerdings nicht so gefällt. Sie hält die Männerkolonnen im Garten ihrer Villa auf Distanz und mahnt Martina eindringlich, im herrschaftlichen Haus des Bürgermeisters ihre Berufsgewohnheiten bitte zu vergessen.
Noch liegt Schabbach im tiefsten Frieden. Eduard bringt es auf den Punkt: „Genau das ist der Moment, in dem die Zeit stehebleibe müsst …“.
Auf und davon und zurück (1938-1939)
Im Kino wird „Heimat“ von Carl Froelich gezeigt. „Eine Frau wird erst schön durch die Liebe …“, singt Zarah Leander. Robert und Pauline, Uhrmachergeselle Pollack und Martina, Otto Wohlleben und Maria sitzen mit feuchten Augen vor der Leinwand. Danach versammeln sich alle in Roberts Haus in Simmern, das nach dem Auszug des Juden im ersten Stock viel größer geworden ist. Martina hegt Sympathien für den Uhrmachergesellen Pollack. Maria und Otto sind immer noch im siebten Himmel, nicht ahnend, dass sie nur wenige Tage später sehr unsanft auf den Boden der Tatsachen gerissen werden sollen.
Denn aus Amerika ist Post von Paul angekommen. Völlig entgeistert versammelt sich die Simon-Familie am Küchentisch um den fremdartigen Brief. Daraus geht hervor, dass Paul Inhaber der „Simon Electric Company“ in „Detroit, Postbox, USA“ ist und plant, nach Deutschland zu Besuch zu kommen. Maria ist mit der Situation völlig überfordert, gerade wo sie doch mit Otto so glücklich ist meldet sich „der fremde Mann lo“ – elf Jahre nachdem er so plötzlich und wortlos verschwunden ist. Kaum sind ein paar Tage vergangen, wird Ingenieur Wohlleben nach Trier versetzt – auf Initiative von Maria, wie sich später herausstellt. Dass beiden von ihrem kurzen Glück doch etwas geblieben ist, können sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht wissen: Hermännchen, ihr gemeinsamer Sohn.
Während der andere Sohn, Ernstchen, auf der Röhn seine ersten Segelflugversuche unternimmt, macht sich Maria mit Anton ins ferne Hamburg auf, um Paul vom Schiff abzuholen. Doch Paul darf das Schiff nicht verlassen, da er keinen Ariernachweis vorweisen kann. Bürgermeister Eduard und SS-Mann Wilfried Wiegand werden eingeschaltet und versuchen im fernen Schabbach den Nachweis für den verdächtig klingenden Namen Simon beizubringen. Viel zu viel Zeit vergeht, und der Ozeandampfer legt mit Paul Simon an Bord wieder ab.
Am 1.9.1939 tönt aus den Volksempfängern des Deutschen Reiches, vor denen auch auf der Röhn Ernstchen und seine Kameraden stillstehen, mit heiserer, pathetischer Stimme: „Polen hat heute Nacht auf unserem eigenen Territorium auch mit bereits regulären Soldaten geschossen! Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen, und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten!“ Der Krieg hat begonnen.
Heimatfront (1943)
Erst resümiert Glasisch-Karl noch, als er die Erinnerungsfotos an die vergangenen Zeiten auf den Tisch zurücklegt: „Mir habe in Schabbach nit jede Tach gemerkt, dat jetzt Kriesch war.“ Aber dann ist eine Wiese bei Schabbach zu sehen, auf der die Reste eines abgeschossenen englischen Bombers verstreut liegen. „Tja, das war eine Nacht heut. Sechzehn Bomber haben unsere Jäger heruntergeholt, die liege jetzt verstreut von Kirchberg bis rüber nach Kastellaun“, meldet ein Polizist Wilfried Wiegand. Bürgermeister Eduard steht daneben und zitiert sich selbst: „Die Flieger sind die wahre Helde. Die leide nit …“.
Kurz darauf wird Wilfried Wiegand von ein paar Kindern zu einem Ort im Wald gelotst, an dem ein schwer verletzter, vor Schmerzen wimmernder englischer Pilot im Gebüsch liegt. Wiegand erschießt ihn kaltblütig. Den anderen erzählt er, er habe ihn leider auf der Flucht erschießen müssen. Als Wilfried, der jetzt das eigentliche Regiment an der Heimatfront Schabbach übernommen hat, dann bei Katharina vorbeischaut und die ihm viel zu üppige Verpflegung der französischen Gefangenen unter Strafe stellt, reagiert sie empört: „Dau bist en ganz raulische Hund geworde … das bist dau! … Was nur aus den Kindern geworde is in dem Krieg!“
Auch für Otto Wohlleben sind die Zeiten härter geworden. Jetzt ist er nicht mehr für Bauprojekte sondern für Bomben-Blindgänger zuständig, die er gemeinsam mit Pieritz entschärft, wobei ihm seine Leidenschaft für die Feinmechanik zugutekommt.
Im Haus Simon wird es allmählich eng. Nicht nur, dass es für Maria ein neues Mutterglück gegeben hat, mittlerweile ist auch Martha aus Hamburg in Schabbach eingetroffen. Sie ist Antons schwangere Braut. Wilfried leitet über die ganz Europa verbindenden Telegraphendrähte die Ferntrauung der beiden ein. Am anderen Ende gibt in einer kleinen Hütte im eisigen Russland Anton sein Ja-Wort und wird dabei für die Wochenschau gefilmt. Aber auch an der Heimatfront hat man sich etwas Besonderes einfallen lassen. Ernst wirft aus dem Kampfbomber im spektakulären Tiefflug über Schabbach rote Nelken für die Braut ab.
In der Dorfkirche entdeckt Eduard die Nachricht, dass Korbmachers Hänschen sein Leben im Krieg verloren hat. Er ist tief betroffen, hat er doch seine Begeisterung für das Schießen gefördert.
Abends gibt es noch eine kleine Feier in Lucies und Eduards Villa. Ein uniformiertes Streichquartett spielt Mozarts „Kleine Nachtmusik“. Wiegand wendet sich hinter vorgehaltener Hand einem anderen Uniformierten zu: „Die Endlösung wird radikal und gnadenlos durchgeführt. Das darf ich Ihnen gar nicht sagen – aber unter uns, wir wissen es doch alle: Alle in den Schornstein.“
Die Liebe der Soldaten (1944)
Anton, Assistent einer Propagandakompanie an der Ostfront, führt abends im Feldlager alte Ufa-Filme vor. Zarah Leander singt auf der Leinwand des Frontkinos für die endlich einmal wieder froh gestimmten, schunkelnden Wehrmachtssoldaten „Davon geht die Welt nicht unter, denn die wird ja noch gebraucht!“ Später erklärt der Hauptmann der Propaganda-Kompanie den Untergebenen seine Philosophie: „Nicht der Spielfilm, sondern die Kriegswochenschau ist die wahre Kunst des 20. Jahrhunderts.“
Am nächsten Tag hat Anton einen anderen Auftrag. Er bringt die Kamera in einem verschneiten Birkenwald in Position, fummelt am defekten Objektiv herum. Vor ihm ist ein MG in Stellung gebracht worden. Weiter vorne hat man fünf Juden, die Hände im Nacken verschränkt, vor ein Erdloch getrieben. Noch während Anton versucht, das Objektiv in Ordnung zu bringen, zerreißt eine MG-Salve die Stille des Waldes. Einzelne Pistolenschüsse folgen. Von den Juden ist nichts mehr zu sehen. Als noch einmal fünf andere vor das Kameraobjektiv und das MG getrieben werden, klappt es endlich mit der Aufnahme der Erschießung.
Der Krieg ist nun auch in den Hunsrück gekommen. Als Otto Wohlleben nach langer Zeit Maria wiedersieht und dabei erfährt, dass er der Vater von Hermännchen ist, vibriert die Luft vom Brummen von Hunderten von Bombern, die auf ihrer westlichen Einflugschneise über dem Hunsrück Richtung Rhein-Main-Gebiet sind, um dort Tausende von Phosphor- und Sprengbomben abzuwerfen. Otto Wohlleben und Maria Simon ist eine letzte gemeinsame Nacht gegönnt. Am nächsten Morgen erreicht auch Otto sein Schicksal beim Versuch, am Bahnhof von Simmern eine Bombe zu entschärfen.
In einer Nacht wird die Flakstellung am Ortsrand von Schabbach bombardiert, ein Feuerschein legt sich über das ganze Dorf. Lotti, die von der Bochumer Verwandtschaft zu den Simons in den Hunsrück ausquartiert wurde, verliert dabei ihre erste Liebe, den Soldaten Specht.
Wenige Tage später marschieren die Amerikaner ein. Lucie zieht sich das Dienstmädchenkleid an und weiß nicht so recht wohin mit ihren Pelzmänteln. Wilfried, der kniend und mit zum Hitlergruß ausgestrecktem Arm beginnt, die erste Strophe des Deutschlandliedes zu singen, hält sie den Mund so fest zu, dass er fast erstickt. Eduard hat seine Parteiuniform abgelegt und hüllt sich in einen schäbigen Mantel. Sohn Horstchen zieht etwas durch die Zähne, das man in Schabbach bisher nicht gekannt hat, einen Kaugummi. Und dann stehen zwei farbige amerikanische GI‘s vor dem Fenster von Eduards und Lucies Villa. Eduard lüftet ehrfürchtig seinen Hut.
Der Amerikaner (1945-1947)
Berlin liegt in Schutt und Asche. Martina versucht vergeblich, den schwer verwundeten ehemaligen Uhrmacher-Lehrling Pollack bis zur Ankunft eines Arztes am Leben zu halten und stirbt dann selbst, weil sie in Pollaks Uniform auf der Straße für einen Soldaten gehalten wird.
In Schabbach ist das alles schon wieder vorbei. Die Amerikaner sind da. Nur noch der abgerissene Finger, den Hermännchen in einem verkohlten Jeep findet, erinnert an die Kriegstage.
13.5.1946. Von der sich zum Horizont verlierenden Zufahrtsstraße nach Schabbach geht ein breitschultriger Amerikaner mit Cowboy-Hut ins Dorf hinein zum Simon-Haus. Sein großes Auto lässt er samt Chauffeur in der Ortsmitte zurück. Niemand ist zu Hause. Er geht in die Schmiede und schlägt mit dem Hammer auf den Amboss. Mutter Katharina Simon hört vom Friedhof aus das Hämmern in der Schmiede und läuft nach Hause.
„Du bist der Paul!“ Paul nickt. Nach seiner überraschenden Rückkehr aus Amerika gibt Paul im Tanzsaal des Dorfes mitten in dürftigsten Nachkriegszeiten einen großen Ball mit Speisen, Getränken und Musik aus Amerika. Ganz Schabbach ist in Festtagsstimmung, nur Maria, die einst von Paul so kläglich verlassene, nicht. Beide werden sich immer fremd bleiben.
Lucie hat längst ihr Hut-Fähnchen mit den „Stars and Stripes“ nach den seit neuestem wehenden Winden gerichtet. „Seit ick weeß, was die Amis für welche sind, Eduard … die sind uns in allem überlejen. Det is nicht bloß der Reichtum, det die uns besiegt haben. Det die hingehen können, wo sie wollen und nich an diesem Hunsrück kleben bleiben!“ meint sie zu ihrem abgehalfterten, gesundheitlich stark angeschlagenen ehemaligen NS-Bürgermeister, der sich jetzt auf sein Hobby, die Fotografie zurückzieht. Robertchen, ihren Sohn, trimmt sie darauf, dem zurückgekehrten Paul alle Staaten der USA aufzusagen. Paul imponiert das sehr, und er hört Lucie dann auch sehr verständnisvoll zu, wie sie darüber jammert, was sie und ihre Familie in den vergangenen schlimmen Jahren zu erleiden hatten.
Plötzlich steht Klärchen, eine Freundin von Ernst, in der Küche der Simons und bittet um eine Bleibe. Ernst selbst mit seinen zwielichtigen Geschäften und wechselnden Liebschaften hält sich allerdings lieber fern von zu Hause. Sein Bruder Anton marschiert durch Russland, die Türkei, Griechenland und über die Alpen fünftausenddreihundertsiebzehn Kilometer weit nach Hause. Im Mai 1947 kehrt er zu seiner Martha zurück. Er hat etwas mitgebracht. Auf dem langen Weg hat er sich Dutzende von Patenten ausgedacht, mit denen er ein Optisches Werk aufbauen und sich so an der Neuverteilung der Welt beteiligen will. „Martha, halt zu mir, dann kommen die guten Jahre!“, verleiht er seinem Tatendrang Ausdruck.
Katharina Simon hat nach Antons Rückkehr fast alle ihre Lieben um sich geschart. Es fällt ihr nicht mehr schwer, ihrem Mann Mathias in den Tod zu folgen.
Hermännchen (1955-1956)
Hermännchen ist der einzige aus der Familie Simon, dem es möglich war, das Gymnasium in Simmern zu besuchen. Mit seinen Schulkameraden macht er auf einer Radtour Station bei seinem Halbbruder Ernst, der an der Mosel seinen hochfliegenden Träumen nachgeht, indem er mit einem großen Hubschrauber Baumstämme auf Flusskähne transportiert.
Während sich sein Projekt als völlig unrentabel erweist hat sein Bruder Anton das große Los gezogen. Seine Patente haben ihm als Gründer und Chef der „Optische Werke Simon OHG“ unternehmerischen Erfolg beschert. Hermännchen ist auch dort immer gern gesehener Gast.
Nach einem großen, von Anton veranstalteten Betriebsfest entdeckt der Fünfzehnjährige ganz neue Gefühle. Zuvor ist er zwar schon von Schnüsschen am Ufer der Mosel in die Geheimnisse des Zungenkusses eingeweiht worden. Jetzt bekommt er im Bett zwischen Klärchen und Lotti liegend aber noch ganz anderes zu spüren – was zur Folge hat, dass er am nächsten Tag viel zu spät aufwacht und den Zug zur 35 km entfernten Schule verpasst. Diese Bett-Episode war für Lotti, die Chef-Sekretärin von Anton Simon, nur ein kleines Abenteuer, für Hermännchen und das fast doppelt so alte Klärchen ist das anders.
Tagsüber brütet Hermännchen auf dem Sportplatz mit Mitschülern über existenzphilosophischen Fragen und konfrontiert seine Mutter Maria, die ihn so gerne beruflich in der Nachfolge seines Vaters Otto sähe, mit dem Wunsch, Künstler statt Ingenieur zu werden. Nachts schwört Hermännchen bei Vollmond Klärchen seine unsterbliche Liebe. „Mit heiligem Willen / auf ein riesiges Blatt etwas schreiben / auf den feuchten Stellen / eine Welt aus Gängen treiben / die Fackel zerfällt, der Wille wird matt / deine atmende Haut: ein Land, das wartet.“ dichtet er Klärchen ins offene Herz. Ihre Liebe hat Folgen. Klärchen erwartet ein Kind und sieht keinen anderen Ausweg als eine Abtreibung.
Anton erwehrt sich der Pestizide und Fungizide der deutschen chemischen Industrie, die Alois und Wilfried Wiegand, jetzt CDU-Mitglieder und Versuchsgut für die BASF, auf den Feldern um Schabbach und die optischen Werke verteilen. Anton, der für seine optische Fertigung absolut staubfreie Bedingungen benötigt, ist außer sich: „Die verpeste mir die die ganz Hunsrücker Luft!“.
Für Hermann scheint es, dass das „verlogene, spießige Pack“, gemeint ist vor allem sein Halbbruder und Klärchens Arbeitgeber Anton, dafür gesorgt hat, dass sein Klärchen die Familie Simon verlassen hat und nach Koblenz abgereist ist. Doch Klärchen hatte aus eigenem Willen diesen Schritt gemacht, um Schlimmeres zu verhindern. Schließlich kommt der zum Familienpatriarchen aufgestiegene Anton dennoch hinter Hermännchens Geheimnis, indem er Klärchens Post an ihn liest.
Silvester schlägt Hermännchens Rachestunde gegen die Spießer. Er nimmt Antons Mercedes und fährt damit zu Klärchen nach Boppard am Rhein, wo sie zusammen den Jahreswechsel feiern. Zum Abschied überlässt Klärchen ihm einen Brief von Anton, in dem ihr gerichtliche Schritte angedroht werden, sollte sie jemals wieder Kontakt zu Hermann aufnehmen. Sie werden sich nie wieder sehen.
An der Orgel der Schabbacher Dorfkirche verleiht er in dissonanten Tönen seiner tiefen Trauer und Verzweiflung Ausdruck.
Hermann hält nichts mehr in der spießigen Enge des Dorfes. Mit 18 Jahren, gleich nach dem Abitur wird er es verlassen, um in München Musik zu studieren.
Die stolzen Jahre (1967)
Pauline besucht die mittlerweile 67-jährige Maria und zeigt ihr eine Zigarettenkiste ihres im Krieg gefallenen Mannes Robert. Anno 1938 hat er Tausende jetzt wertlos gewordener Reichsmark an die Seite geschafft. Beide hängen ihren nicht verwirklichten Träumen und Sehnsüchten nach, und überlegen, Paul in Amerika zu besuchen. Doch die entstehende Euphorie versiegt schnell, als Maria einfällt: „Ach neh, et geht doch nit, die Kuh!“. Zwar wird ihre Kuh verkauft, aber Maria wird ihr Leben lang nicht verreisen. Nicht an den Gardasee, und nicht zu Paul nach Amerika.
Die große Welt kommt aber auch so in Gestalt zweier ausgebuffter Manager eines multinationalen Konzerns nach Schabbach, die sich bei ihrer Irrfahrt durch die abgelegene Gegend über die Hirsche am Straßenrand wundern und dann von Anton Simon mit einheimischen Wurstspezialitäten verköstigt werden. Sie haben den Auftrag, die „Optische Werke Simon OHG“ für 60 Millionen Mark aufzukaufen. Harte Konkurrenzkämpfe werden angedroht, wenn Anton Simon nicht einwilligt.
Während Anton noch um eine Entscheidung ringt macht sich sein Bruder Ernst daran, den Hunsrückern neumodische Türen und Fenster mit Aluminiumrahmen aufzuschwatzen – und ihnen dafür die alten abzunehmen, die er an Düsseldorfer Kneipen teuer als antik-rustikale Inneneinrichtung weiterverkauft. Seine Devise für die Antiquitäten mit „dem Geruch von 1865“ ist: „Der Geruchsinn ist der primitivste Sinn des Menschen, der am meiste mit dem Unbewusste verbunne is. Sehe, here, fühle, dat kommt erst viel später. Und dat Denke kannste sowieso vergesse.“
Antons Vater Paul ist gerade im nahen Baden-Baden. Anton sucht den erfolgreichen Amerikaner auf um einen Rat zu bekommen, und wird dabei mit der neuen Leidenschaft des inzwischen berühmt gewordenen Hermännchens bekannt: elektronische Musik. Onkel Paul hat ihm dafür alle technische Hilfe aus Amerika zukommen lassen. Paul rät Anton, es wie er selbst zu machen und sein Unternehmen zu verkaufen. Aber Anton behält lieber weiter das Heft in der Hand. Der applaudierenden Belegschaft verkündet er auf der Wiese vor dem Werk, dass er nicht verkaufen werde: „Solang es uns gibt, hie in Schabbach, gibt es e Maßstab auf der Welt. Und wenn die uns inkaafe, dann schaffe die den Maßstab ab.“
Sommer 1969. Hermanns erstes Rundfunkkonzert wird vom SWF aus Baden-Baden übertragen. In der Gaststätte in Schabbach hört das ganze Dorf mit, aber wendet sich schnell kopfschüttelnd ab. Nur Glasisch-Karl findet Zugang zu Hermanns Musik, „Hermännchen, wo hast das nur her? So fremdländisch und so schön …“.
Wenige Tage später kommt Hermann im Citroen in Schabbach an. Im Schlepptau hat er zwei Mädchen, die er seiner Mutter als seine beiden Freundinnen vorstellt. Maria versteht die Welt nicht mehr.
Das Fest der Lebenden und der Toten (1982)
Maria ist tot. Selbst Verwandten aus dem fernen Brasilien, die sich zufällig in Deutschland aufhalten, sind gekommen. Hermann hat dagegen beinahe die Beerdigung seiner Mutter verpasst, hätte nicht ein Wolkenbruch dem Trauerzug Einhalt geboten. Hermann stoppt im dichten Gewitterregen seinen Citroen nur wenige Meter vor dem von den Trägern einfach auf der Dorfstraße abgestellten Sarg der Mutter.
Während der Trauerfeier donnern amerikanische Jagdbomber über den Hunsrück hinweg und die Angestellten von Ernst versuchen, das Inventar des alten Simon-Hauses nach Verwertbarem zu durchsuchen. Anton Simon schreitet energisch ein, vernagelt die Türen und weist Ernst zurecht. Geht Ernst eher im Zickzack durchs Leben, so hat Anton immer den geraden, nach vorne weisenden Weg gesucht.
Später erinnert sich Anton an die alte Wochenschauregel, dass deutsche Soldaten im Film immer von links nach rechts zu marschieren hatten, um den Eindruck des Vormarsches zu erzeugen. Die Zeiten sind aber auch für Anton hart geworden, möglicherweise muss er in Zukunft selbst von rechts nach links gehen.
Im verlassenen Simon-Haus wehen die Gardinen gespenstisch im Fenster. Anton, Ernst und Hermann stoßen auf Gegenstände, die in ihnen Erinnerungen an ihre Kindheit und die Mutter wachrufen.
Die Kirmes beginnt. Als zu später Stunde die Kapelle mit den Besuchern in den Tanzsaal einziehen will, ist dieser wie von Geisterhand verriegelt. Von außen ist nur grelles Licht im leeren Saal zu sehen. Innen steht auf der Bühne die verstorbene Maria, mit der Bettwäsche vor dem Bauch, genau wie damals auf der Treppe des Simon-Hauses, als sie Otto wiedersah. Es ist das Fest der Toten. Auf der anderen Seite des Lebens tummeln sich im Stimmengewirr u. a. Korbmachers Hänschen, die französische Reiterin, Katharina, Wilfried, Glockzieh, Marie-Goth, Mäthes-Pat, Pauline, Robert, Lucie, Eduard, Pieritz und auch Otto Wohlleben in für sie typischen Kleidungen und Szenen. Wiegand schwadroniert noch einmal „Ami, go home!“, Hänschen lernt über Kimme und Korn zu zielen, und der Dorfschullehrer dirigiert den Chor wie einst bei der Einweihung des Denkmals. Nur der Schmied Mathias ist nicht zu sehen. „Aber Maria, weißte dat dann nit mehr, der Opa war doch blind!“, erläutert Katharina. Glasisch-Karl wird sich im Laufe dieser Geisterstunde auch noch zu ihnen gesellen. Und Otto und Maria feiern still ihr lang ersehntes Wiedersehen.
Anton, Ernst und Hermann gehören zu den Lebenden außerhalb des hell erleuchteten Festsaals. Im Lärm der Kirmes lässt sich Hermann von den Schieferbrechern von der guten Akustik im großen Abbau direkt unter dem Dorf erzählen, Ernst bandelt auf der Suche nach einem gemütlichen Hangar mit seiner Jugendliebe Irene an, und Anton vergnügt sich betrunken mit zwei Provinznutten. Martha und ihre Tochter Helga schauen sehr befremdet zu und eilen, als er mit einem Hörsturz zusammenbricht, zur Hilfe.
Schließlich führt Komponist Hermann in der großen direkt unter dem Dorf liegenden Schieferbergwerkhöhle sein neues Werk auf. Der Chorgesang mit dem Titel „Geheischnis“ setzt dem Hunsrücker Platt ein Denkmal. „Die Goth und der Patt, im Himmel schwätze se Hunsricker Platt.“