Bernd Pfanzelter
aus Frankfurt/Main über seine Tätigkeit als Fachberater und Statist bei den
Dreharbeiten zu HEIMAT 3
Einsatz der HAGH beim
Hochwassereinbruch in der Grube Anna im Hunsrück
Von Bernd Pfanzelter, Frankfurt am
Main.
Von Lulu erhielten wir den
Hilferuf schnellstmöglich zur Grube Anna im Hunsrück zu starten und alles
notwendige Material für eine Befahrung unter widrigsten Verhältnissen
mitzubringen.
Im Vorfeld erfuhren wir noch, dass
es in dem Stollen, der direkt hinter der Baustelle des geplanten Museums, von
welchem Lulu Bauleiterin ist, ein Hochwasserunglück gab. Zum Einen ist wohl im
darüber liegenden Ort Schabbach ein Schacht oder Erdfall aufgetreten, der
inzwischen bereits mit Beton wieder verfüllt wird, zum Anderen sprengten
gewaltige Wassermassen das Tor des Stolleneingangs im Tal aus den Verankerungen.
Die Wucht des Wassers zerstörte die Holzbrücke über den, vor dem Stolleneingang
gelegenen Bach, und schmetterte eine abgerissene Brückenhälfte in zwei
benachbarte Baucontainer, welche zertrümmert wurden und die Böschung hinunter
ins Bachbett rutschten.
In der Kürze der Zeit starteten
Yvonne und ich von Frankfurt aus vollgepackt mit Seilmaterial, Schachtausrüstung
aber auch Neoprenanzügen. Weiterhin konnten wir noch Michael und Marc erreichen,
die von Diez aus losfuhren.
Knapp eine Stunde später kamen wir
über "Simmern" und "Gehlweiler" fast gleichzeitig an der Baustelle hinter der "Anzenfeldermühle"
an und wurden mit unserem Auto gleich durchgewunken bis vor die zerstörte Brücke
zu einem provisorisch aufgebauten Leitstand der Rettungskräfte.
Ein ganz schönes Wirrwarr was wir
hier vorfanden! Überall Bauarbeiter bei Aufräumarbeiten, Feuerwehrleute und
Männer vom THW, die wie fleißige Ameisen herum wieselten. Gerade wurde per
Kranwagen die abgerissene Brückenhälfte hinter dem Leitstand abgesetzt, die
abgerutschten und teilweise recht ordentlich eingedrückten Baucontainer standen
bereits wieder am Rande der Baustelle auf ebenem Boden. Schon kam der
Einsatzleiter auf uns zu gehetzt und wies uns detailliert in das Geschehen ein.
Das Stollenportal hatte bisher noch niemand betreten und es sollte unsere
Aufgabe sein hier zu untersuchen wie groß die angerichteten Schäden im
Grubeninnern sind und ob die im Stollen gelagerten Container noch unzerstört
sind. Aus dem Portal floß nicht mehr sehr viel Wasser, ein eher müdes Bächlein
quoll daraus hervor. Um sicher zu gehen beschlossen Michael und ich jedoch
vorsorglich unsere Neoprenausrüstung anzulegen, Yvonne sollte am Leitstand mit
uns dann später im Kontakt bleiben und Marc war ja sowieso nur als
Fahrbegleitung mitgekommen.
Als wir komplett ausgestattet
waren, mußten Michael und ich zunächst durch den Bach zur abgerissenen
Brückenhälfte stapfen. Der Brückenboden lag unten im Bach und stieg gut 45 Grad
ansteigend den Hang zum Stollenportal an, wir kamen auf den nassen, rutschigen
Holzbohlen kaum hinauf und befestigten oben angekommen zunächst mal ein
Speleoseil, zogen es hinunter bis auf die andere Bachseite, um somit am sicheren
Fixseil aufsteigen zu können. Hinter dem Leitstand erhielten wir zunächst vom
Einsatzleiter eine Mini- Sondenkamera und Sprechfunkverbindung mit jede Menge
Kabel, dies sollten wir unbedingt mitnehmen, um aus Sicherheitsgründen immer mit
dem Außenleitstand in Verbindung bleiben.
Yvonne holte gerade Ihre
Ausrüstung aus unserem Auto, da kam schon Lulu herangebraust. Yvonne verschwand
mit ihr in einem der Baucontainer und kleidete sie mit ihrer Ausrüstung ein. Zum
Glück war Lulu in Yvonne's Größe und zudem sehr schmal, so dass auch Yvonnes
Neoprenanzug eher zu groß als zu klein ausfiel. Wenige Minuten später war Lulu
dann fertig und wir konnten uns zu dritt auf den Weg machen. Michael ging, die
Kabel abrollend voraus. Ich ließ Lulu am Seilgeländer zum Stollenportal
vorausgehen, um sie, falls sie abrutschen sollte, von hinten aufzufangen und so
verschwanden wir nacheinander im Dunkel des Grubeneinstieges....
"DANKE"....."KLAPPE 2, die
erste....; Eine machen wir noch" erschallte es von Edgar Reitz, dem Produzenten.
Die Kamera schwenkte in Ausgangsposition zurück und die kurze Szene sollten wir
nun nochmals wiederholen. Lulu, im wahren Leben mit Namen: Nicola Schössler,
eine der Hauptdarstellerinnen des ARD 6-Teilers – "Heimat3", verschwand wieder
in ihrem Baucontainer und auch die Statisten in Form einer Bauarbeiterkolonne
schleppten den gerade aus dem Bach geborgenen Holzbalken abermals wieder zurück
ins Wasser. Einsatzleiter, Schauspieler und Yvonne wieder hinter dem Leitstand
in Stellung, Michael und ich wieder runter in den Bach ...
Nun wir wiederholten diese Szene,
noch schnell, alles lief glatt und eigentlich hätten wir jetzt, so gegen 13 Uhr
Feierabend gehabt ... Tja hätten wir, wäre da nicht Yvonne und unser Auto. Aber
beginnen wir ganz von vorne: Wenige Tage vor unserem Drehtermin erhielt ich
nämlich nachstehende eMail:
Von: Regine Meldt <...>
An: <bernd@hagh.de>
Betreff: Filmproduktion sucht
Höhlenforscher!
Sehr geehrter Herr Pfanzelter,
die Edgar Reitz Filmproduktion
dreht zur Zeit den ARD-Sechsteiler HEIMAT 3 von Edgar Reitz - eine
internationale Coproduktion, die Weihnachten 2004 im Ersten ausgestrahlt wird.
Infos finden Sie unter www.heimat3.de!
Nun suchen wir für nächsten
Mittwoch 2 - 3 Höhlenforscher, die bei uns in einer Szene mitspielen. Außerdem
bräuchten wir eine fachliche Beratung: es findet eine Überschwemmung in einem
Stollen statt! Könnten Sie uns weiterhelfen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn
Sie mich unter 06761 90xxxxx schnellstmöglich anrufen würden. Es eilt. Mit den
besten Grüßen
Regine Meldt
Erst einmal war ich skeptisch –
Will mich da einer veräppeln? Egal ich ruf mal an. Wie sich dann sogleich am
Telefon herausstellte war es kein Gag sonder echt und die Fernsehproduktion war
schon aufgrund mangelnder Höhlenforscher-Statisten am verzweifeln. Laut
Produktionsfirma sollten eigentlich Höhlenforscher aus Karlsruhe zugesagt haben,
die aber kurzfristig ausfielen.
(Vielleicht hatten die ja auch
keine Lust mehr oder die typischen Probleme mit: ich bezeichne es mal als
"traditionelle, konservative Vereinsgeheimnisträger oder Vorsitzende" genannt,
die auch heute noch Ängste wie bei einer Hexenverfolgung haben. Könnte ja was
völlig unseriöses sein und dann lästert die Handvoll gleichartiger
Höhlenmonarchen in Deutschland über uns. Und och je ... nachher übt noch jemand
Kritik und dann müssen wir uns in unser Schneckenhäuschen verkriechen...)
Warum aber nicht? Was soll's, wenn
einer merkt, dass man kaum in Sprechfunkverbindung, oder mit 50 Meter Kabel,
1000 Meter vom Stolleneingang entfernt mit dem Leitstand in Kameraverbindung
stehen kann? Es gibt dann bestimmt eine Handvoll Höhlenforscher die irgend etwas
zum ablästern findet (und ganz bestimmt auch einige die fast kotzen, wenn sie
uns auch noch im Weihnachtsprogramm sehen und ertragen müssen – was mir wiederum
gefällt ;-) ) Zudem sprangen bei der Sache ein Fahrkostenerstattung von 120 Euro
und eine Spende an unseren Förderverein in Höhe von 500 Euro an – ist doch auch
ein netter Grund. Außerdem: wenn wir das nicht machen findet sich garantiert ein
Anderer dafür – warum also sollen wir absagen? Für unsere schon als
oppositionell zu bezeichnende HAGH stellte das somit kein Problem dar und nach
kurzer Umfrage nach Mitstreitern sagte ich zu. Es gab sogar einige mehr, doch
leider war der sehr kurzfristige Termin mitten in der Woche recht ungeeignet und
dann wurde der ganze Einsatz auch noch von Mittwoch auf Donnerstag verschoben!
Wie vereinbart trafen wir dann um
9 Uhr 30 am Drehort, der Anzenfeldermühle, eigentlich eine Schreinerei, ein.
Hinter der Mühle war rein als Filmkulisse die besagte Museumsbaustelle
errichtet. Sogar ein großes Schild auf dem das Bauobjekt beschrieben wird, war
hier angebracht – Alles wie in der Realität.
In einem Seitenbau waren Tische
und Bänke aufgebaut und ein einsamer Produktionshelfer war damit beschäftigt
bergeweise Frühstücksbrötchen, Stückchen, Kaffe, Tee, Getränkekisten, Becher ...
und, und ... aufzufahren.
Ansonsten war überhaupt noch
niemand vor Ort! Also lungerten wir erst einmal auf einer Bank in der Sonne
herum und stopften uns mit Schokobrötchen, Stückchen und Kaffee voll. Irgendwann
zwischen halb 11 und 11 trafen dann Produktionsleute, Statisten und Schauspieler
ein und der Regisseur Edgar Reitz sprach mit uns kurz durch was wir für Aufgaben
hatten. Gerade hatten wir uns geeinigt, dass Michael und ich die
Höhlenausrüstung anlegen, da kam schon eine Produktionstante angestürmt. Sie
forderte uns auf unbedingt sofort und unumgänglich zur Vor-Ort-Besprechung zu
kommen und ließ uns nicht mal Zeit die komplette Ausrüstung anzulegen. Also da
dann hingehetzt, nur um wieder Ewigkeiten zu warten bis der Baggerfahrer den
Kamerakran an seine geeignete Position gekarrt hat.
Der Regisseur hatte zudem auf der
schwarzen Heckscheibe unseres Kombis den leuchtend weißen "Höhlenkundliche
Arbeitsgruppe – Hessen" Schriftzug gesehen und war davon derartig begeistert,
dass Yvonne unbedingt das Auto direkt an den Drehort der nächsten Szenen
heranfahren mußte, damit dieser auch mit ins Bild kommt. Aber wie arbeitet man
den schönen Schriftzug in den Film ein ...? Hm ..., ein Statist muß her, der
während die Szene gedreht wird, die Ausrüstungskiste für die Lulu-Darstellerin
aus dem Wagen holt, den Ladeflächendeckel zuschlägt, und im Anschluß an den
Einsatz-Leitstand geht. Nochmal: hm ..., kein Statist mehr frei, alles
eingespannt, kein "Bauarbeiter" entbehrlich und ..., wieso nicht: nehmen wir
doch gleich Yvonne. Und schwupps hatten wir einen HAGH-Darsteller mehr. Yvonne
die bei der Szene dann ihren Platz als unsere Fachfrau am Einsatzleiterstand
einnahm, mußte dann auch nach der Anfangs beschriebenen Filmszene am Leitstand
stehen bleiben und unser Auto mit der schönen Heckscheibenbeschriftung direkt im
Bildhintergrund natürlich auch.
Somit verschob sich also unser
Feierabend, denn im Anschluß wurde den Rest des Tages, sprich nach einer
Mittagspause noch bis etwa 18 Uhr 30 der Leitstand gefilmt, der aus dem
Stolleninneren die Berichterstattung erhielt. Diesen sprach "Lulu"" im
Hintergrund versteckt, ins Mikro während auf dem Monitor der Einsatzleitung
diffuse Bilder flimmerten, die in Wirklichkeit Tage zuvor mit einer
Infrarotkamera beim durchlaufen in einem echten Stollen aufgenommen worden
waren. Noch zu erwähnen wäre da vielleicht, das unser Eingang der Grube Anna –
im Gegensatz zu den verwendeten historischen Originalplänen, die der Produktion
ausgeliehen worden waren und aus der Region St. Goarshausen stammten, auch nicht
echt, sondern aus einer maximal drei Meter langen Pappmaschee –Attrappe gebaut
waren. Das aus dem "Portal" herausquellende Wasser entstammt natürlich einem
B-Schlauch der Feuerwehr der mit Tarnnetzen am Bachufer getarnt war. Ja und den
Ort Schabbach von dem die Reihe eigentlich handelt, gibt es in der Realität
natürlich auch nicht!
Filmgeheimnisse, wie etwa: Wie sah
die Hauptdarstellerin in absolut nackter Schönheit beim Anziehen des
Neopren-Anzuges aus? Oder, wie kuschelig war es, als wir drei uns in der
Seitennische des künstlichen Stolleneingangs hinter einem Beleuchtungsstativ
aneinander quetschen mussten, um aus dem Kamerabild im imaginären Stolleninneren
zu verschwinden? Nun das behalten wir für uns! Aber abschließend festzustellen
ist noch: dass die Verpflegung erstklassig war, durchgehend gab es zu futtern
und Getränke ohne Ende.
Ja und die Kohle die wir dafür
erhielten ist ja auch nicht schlecht: dafür finden wir bestimmt einen schönen
Verwendungszweck
– somit auch mit bestem Dank an
die Karlsruher Höfos!!! ;-)
(c) Bernd Pfanzelter,
11/2004,
erschienen in "HAGH-Hessen-Info"
3/2003; Seite 11-14 - www.hagh.de
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