Informationen rund um die HEIMAT-Trilogie von Edgar Reitz

Der Schneider von Ulm (1978)

Edgar Reitz‘ bis dahin kostspieligster Film, der durch einen drei Tage vor dem deutschen Kinostart veröffentlichten Verriss zum Scheitern verurteilt war und Edgar Reitz zunächst in den finanziellen Ruin stürzte, ihm gleichzeitig aber auch die Türen zum großen Erfolg mit HEIMAT öffnete. Lesen Sie mehr zu den Hintergründen des Filmes in Der Schneider von Ulm – von Phoenix und der Asche.

Inhalt des Films

Ende des 18. Jahrhunderts: Albrecht Berblinger (Tilo Prückner), Schneidergeselle, ist zu Fuß unterwegs von Wien nach Ulm, seiner Heimatstadt. In seinem Gepäck ein ausgestopfter Bussard, in seinem Kopf ein schwindelerregender Traum: Der Traum vom Menschenflug, von vogelgleichen Reisen durch die Luft. Da hört er einen Hilferuf. Eine riesige Luftkugel schwebt am Himmel, und Berblinger fängt zu rennen an.
Er rennt in eine Kette von Ereignissen, die sein Leben bestimmen werden. Wer da in der Ballongondel verzweifelt um Hilfe ruft, ist Irma Moretti (Marie Colbin), die Freundin des Konstrukteurs und Luftschiffers Jakob Degen (Harald Kuhlmann) aus Wien. Berblinger hilft bei Irmas Rettung, die „da oben im Luftmeer“, von dem Berblinger träumt, „fast ersoffen“ wäre.

Gasballone und Luftkugeln gibt es erst seit wenigen Jahren, und schon basteln Europas Träumer an Geräten, mit denen sie vogelgleich nach freiem Willen fliegen wollen. Jakob Degen hat ein absonderliches Flattergerät gebaut und demonstriert es im Reitsaal der Wiener Universität. Mit großer Begeisterung beteiligt sich Berblinger von nun an an Degens Plänen vom Menschenflug.

In seiner Heimatstadt Ulm, wohin er schließlich doch zurückkehrt, sind solch fantastische Träumereien nicht vorgesehen. Berblinger soll „auf den Boden zurückkommen“, doch weder eine bürgerliche Ehe noch der goldene Boden seines Handwerks können ihn halten. Immer wieder baut er in monatelanger Mühe Flügel. Bis zur Erschöpfung nimmt er in einem entlegenen Tal vor der Stadt Anlauf um Anlauf, verletzt sich die Knochen, verliert seine Frau, sein Geschäft, sein Geld und baut Bruch um Bruch. Sein Wiener Freund Degen, auf der Durchreise nach Paris, besucht ihn in Ulm. Hat Degen inzwischen das Problem des Fliegens gelöst? Ist Berblinger in seinem Provinznest mit allem, was er wagt, zu spät – oder zu früh?

Die Wucht geschichtlicher Ereignisse reißt Berblinger aus seinen besessenen Träumen. Die französische Revolution, die Kriege der deutschen Fürsten und Reichsstädte gegen Frankreich, Bürgerunruhen und Aufstände gegen die korrupte Ulmer Stadtobrigkeit bringen eine Wende in Berblingers Leben. Er schließt Freundschaft mit dem Ulmer Jakobiner und Anführer des BürgeraufStandes Caspar Fesslen (Vadim Glowna), erlebt mit dem politischen Freund eine neue Realität. Unterdrückung, Angst, kleinbürgerliches Duckmäusertum, Ächtung durch die Mitbürger, Gefangenschaft. Doch er kehrt aus der Haft mit einer entscheidenden Idee zurück: Die neuen Flügel, die er einsam und ausgestoßen von der Ulmer Gesellschaft, baut, tragen ihn. In immer größeren Luftsprüngen lernt er wirklich fliegen und betritt als erster Mensch den freien Raum zwischen Erde und Himmel.

Die Anhänglichkeit an seinen Freund Fesslen ist die einzige Verbindung, die Berblinger noch zur Ulmer Welt unterhält. Fesslen todkrank aus dem Gefängnis zurückgekehrt, druckt in seiner Werkstatt das politische Testament der süddeutschen Jakobinerbewegung, seinen utopischen Traumflug in eine bessere Gesellschaft, und stirbt, ehe er Berblinger in der prekärsten Lage seines Lebens helfen kann.

Anlässlich des Königsbesuchs soll Berblinger einen Flug über die Donau wagen. Plötzlich interessiert man sich für ihn und 10.000 Menschen aus der Umgebung haben sich unter seinem Sprungturm versammelt. Doch kurz vor dem Start macht der „Vogelmensch“ eine haarsträubende neue Entdeckung: Aufwinde tragen ihn zwar an seinen gewohnten Übungshang, aber gefährliche Abwinde am Fluss drücken ihn mit Zentnerlast nach unten. König und Erzherzog, Magistrat und Offiziere und das ungeduldige Volk sind nur noch eine Meute, die den genialen Erfinder und Künstler ins Verderben hetzen. Er stürzt und muß um sein Leben fliehen. Aber seine Fantasie ist nicht zu stürzen, sie fliegt unbeirrbar weiter und stellt die sogenannte Wirklichkeit auf den Kopf.

Szenenbilder

Der Schneider von Ulm ist Bestandteil der 2009 erschienenen Edition Edgar Reitz – Das Frühwerk. Über jeden der Filme in dieser Edition ist als Extra ein Gespräch mit Prof. Thomas Koebner enthalten.

1 Quelle: www.edgar-reitz.de.