In der Reihe „Meine Schule des Lebens“ interviewten Hella Kemper und Katja Nicodemus Edgar Reitz für DIE ZEIT in kompetenter und einfühlsamer Weise. Anlass ist die Veröffentlichung seiner Autobiographie Filmzeit, Lebenszeit. Obwohl das Interview stark auf die Inhalte der Autobiographie abstellt gelingt es ihnen, auch darüber hinausgehende Aspekte hervorzuholen.
In dem Gespräch kommt beispielsweise die Beziehung zu Alexander Kluge zur Sprache, den Reitz als Menschen, „der vor Ideen sprüht“, bezeichnet. „Wenn wir uns zufällig auf der Straße sehen, bleiben wir stehen und quatschen stundenlang.“ Und dennoch blieb es ein Freundschaft, die nicht sein konnte: Es „ist immer eine Trauer dabei. Wenn wir miteinander gearbeitet haben, haben wir uns nicht addiert, sondern subtrahiert.“
Angesichts des Scherbenhaufens, als den er das bzw. sein Leben bezeichnet, reflektiert er einmal mehr über die Poesie des Erinnerns:
„Meine Trümmer finden sich in vielen seelischen Verletzungen der Jugend und der Kindheit. Mit acht wurde ich wegen einer Fehldiagnose monatelang in ein Gipsbett gesperrt. Ich war oft sehr einsam, und meine erste große Liebe wurde mir verboten. Es ist nicht das Gefühl, aus einer heilen Welt zu kommen. Das Leben ist ein Scherbenhaufen. Und wenn man sich erinnert, setzt man die Scherben neu zusammen. Das Erinnern ist ein kreativer Akt.“, gleichzeitig ein heilsamer Prozess, denn „das Leben konfrontiert uns täglich mit der Vergänglichkeit. Immer wieder ist das, was wir zu haben glauben, schon zerronnen. Dem widersetzt man sich beim Erzählen auf eine wunderbare Weise. Die Welt der Erzählungen ist sogar ein bisschen besser, haltbarer und bewohnbarer als die Wirklichkeit. Man weiß mehr.“
Das eine ganze Seite füllende Interview ist in der Druckausgabe Nr. 40/2022 der Zeit vom 29.09.2022 und tags zuvor bei DIE ZEIT online erschienen (hier leider nur Abonnenten zugänglich).