Informationen rund um die HEIMAT-Trilogie von Edgar Reitz

Vor 40 Jahren starb Rainer Werner Fassbinder

Von Gorup de Besanez - File:PER51895 06.jpg, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=47601508

Enfant Terrible oder geniales Wunderkind? Kein Regisseur des Neuen Deutschen Films polarisiert bis heute so sehr wie Rainer Werner Fassbinder. In seinem kurzen Leben schuf er 18 Bühnenstücke, 4 Hörspiele und als Regisseur und Autor 44 Filme, darunter drei Kurzfilme und zwei Miniserien – insbesondere die Döblin-Verfilmung Berlin Alexanderplatz (1980). Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Filme der „BRD-Trilogie“ über drei Frauenschicksale der Nachkriegszeit: Die Ehe der Maria Braun (1978), Lola (1981) und Die Sehnsucht der Veronika Voss (1982), aber auch frühere Filme wie Händler der vier Jahreszeiten (1971), Welt am Draht (1973), Angst Essen Seele auf (1974), Martha (1974), Faustrecht der Freiheit (1974) oder Lilli Marlen (1980) sind bis heute berühmt. Überdies trat Fassinder in über 20 Filmen (darunter auch eigenen) als Schauspieler auf, zuletzt im Jahr seines Todes in der Hauptrolle von Wolf Gremms Kamikaze 1989.

„Schlafen kann ich, wenn ich tot bin“

lautet der Titel der Biographie, die Harry Baer, Vertrauter und Mitglied des „Clans“ (vgl. dazu auch den Beitrag von Edgar Reitz unten), über „das atemlose Leben des Rainer Werner Fassbinder“ geschrieben hat. Fassbinder verstarb am 10. Juni 1982, heute vor genau 40 Jahren, in seiner Wohnung in München. Durch seine Rastlosigkeit und den nachlässigen Umgang mit seiner Gesundheit war sein Leben wie die sprichwörtliche Kerze, die an beiden Enden brennt.

Fassbinders Nachlass wird durch die Rainer Werner Fassbinder Foundation (RWFF), 1986 gegründet von seiner Mutter Liselotte Eder und gleitet von seiner einstigen Cutterin und engen Vertrauten Juliane Lorenz, gepflegt und verwaltet.

Edgar Reitz und Rainer Werner Fassbinder

Trotz des Altersunterschiedes – als 1962 das Oberhausener Manifest verkündet wurde, war Reitz 29, Fassbinder erst 16 Jahre alt – gibt es durchaus Verbindungen zwischen Edgar Reitz und Rainer Werner Fassbinder: Beide zählen zu den Autorenfilmern und Repräsentanten des Neuen Deutschen Films. Und beide lebten gleichzeitig in München, das seinerzeit, in den 1970er Jahren, als unangefochtene Filmhauptstadt Deutschlands gelten durfte. Sie lieferten jeweils einen Beitrag zum Episodenfilm Deutschland im Herbst (1978) über die Hochphase des RAF-Terrorismus in Deutschland und unterzeichneten filmhistorisch bedeutsame Statements wie die Hamburger Erklärung 1979.

Sein Verhältnis zu Fassbinder beschreibt Edgar Reitz wie folgt:

„Ich habe Fassbinder in den Sechzigern geholfen, einen seiner ersten Filme zu machen (Katzelmacher), indem ich ihm meine Kameraausrüstung kostenlos zur Verfügung stellte. Man kannte und achtete sich. Fassbinder brauchte seine „family“, die er auf manische Weise an sich band. Sein Publikum zu Lebzeiten gehörte diesem Kreis im weiteren Sinne an, d. h. sein Image war das eines Gruppen-Gurus. Der frühe Tod änderte alles: Beschämend fand ich, dass die ganze intellektuelle Schickeria, vor allem in der konservativen Presse, die ihn zu Lebzeiten verteufelt hatten, nun ein Genie aus ihm machten. Damit verdrängten sie die Rufmörderschaft, der sie angehört hatten. (…) Der eigentliche Filmemacher Rainer Werner Fassbinder muss erst noch entdeckt werden.“

Edgar Reitz in einer Mail an Th. H., 18.2.2006

Fassbinder im TV, Stream, Kino, Radio und gedruckt

arte erinnert am 20. Juni an Rainer Werner Fassbinder. Gezeigt werden die Filme Lili Marleen (20.15 Uhr) und Angst essen Seele auf (22.10 Uhr). Zudem ist ein schönes Blow up – Rainer Werner Fassbinder in Bildern zu sehen.

Der Arthouse-Streamingdienst LaCinetek erinnert anlässlich seines 40. Todestags mit einer Auswahl von zehn Filmen und der Serie „Berlin Alexanderplatz“ an das Werk von Rainer Werner Fassbinder.

Im Münchner Kino Monopol läuft vom 10. bis 12. Juni ein „Berlin Alexanderplatz-Marathon“ unter Mitwirkung vieler interessanter Gäste, z. B. Juliane Lorenz, Xaver Schwarzenberger, Harry Baer u. a.

Die hr2-kultur-Sendung Kaisers Klänge befasst sich mit den Filmmusiken Fassbinders, Sendtermine: 12.6., 13 Uhr und 15.6., 20 Uhr

Der Schirmer/Mosel Verlag hat rechtzeitig zum 40. Todestag den Preis des Bildbandes Rainer Werner Fassbinder. Die Filme. Illustriertes Werksverzeichnis 1966-1982 mit über 1400 Abbildungen von 49,80 € auf 29,80 € reduziert.

Weiterführende Links

Die SZ würdigt RWF anlässlich seines 40. Todestages in Form einer Spurensuche. „Was ist von ihm geblieben?“, fragt Josef Grübl

Der WDR hat anlässlich des 40. Todestages ein Zeitzeichen gesendet.

Wikipedia-Seite über RWF mit ausführlichen biographischen Informationen und vollständiger Filmographie

Auf youtube finden sich viele interessante Dokumentationen und teils gar ganze Filme von RWF. Zum Einstieg eignet sich besonders die Doku aus der Reihe „Deutsche Lebensläufe“.

Arthaus hat viele Fassbinder-Filme auf DVD und blu ray herausgebracht

Die Bundeskunsthalle in Bonn widmete Fassbinder eine Retrospektive mit dem Titel METHODE FASSBINDER (September 2021 bis März 2022). Auf der Seite der Kunsthalle sind noch viele interessante Dokumente, insbesondere Videobeiträge aus der Ausstellung und eine ausführliche Literaturliste zu finden.
Rainer Werner Fassbinder: tabulos, kontrovers, genial – Bericht auf DW.com anlässlich der o. g. Ausstellung.
Peter Kremski berichtet auf artechok.de über seinen persönlichen Gang durch die Ausstellung.

Rainer Werner Fassbinder und sein Nachlass im DFF – Podcast des DFF Deutsches Filminstitut Filmmuseum vom 10.02.2022

Filmbildungsprojekt des DFF, Fragestellung: „Welche Rolle nehmen die Filmwerke Fassbinders heute speziell bei jungen Menschen ein? Mit welchen Fragestellungen erschließen sich Jugendliche und junge Erwachsene das Werk eines Regisseurs, der für seine kreative Unangepasstheit und künstlerische Radikalität ebenso bekannt war wie für die unermüdliche Beschäftigung mit gesellschaftlichen Verhältnissen, queeren und migrantischen Lebensrealitäten und deutscher Geschichte im Allgemeinen?“

Fassbinder mit seiner Muse Hanna Schygulla in Liebe ist kälter als der Tod © Studiocanal