Informationen rund um die HEIMAT-Trilogie von Edgar Reitz

Geschichten vom Kübelkind (1969-1971)

„Eine anarchische Filmserie in 22 Episoden“, die Edgar Reitz gemeinsam mit Ula Stöckl 1969-1971 gedreht hat. Ursprünglich war als Aufführungsort ein Münchener Kneipenkino vorgesehen, die Episoden schafften es aber sogar – unzensiert! – bis hinein in das Nachtprogramm des WDR.

„‚Das Kübelkind‘ ist eine Kunstfigur: In jeder Geschichte zwingt die Gesellschaft sie, etwas zu lernen. Aber sie, erwachsen vom Augenblick ihrer Geburt an, lernt ungefragt immer noch etwas mehr, als von ihr verlangt wurde. Das von der Gesellschaft nicht gewollte ‚etwas mehr‘ Gelernte aber bringt sie regelmäßig in Lebensgefahr. In jeder Geschichte stirbt Kübelkind. Sie stirbt sich durch alle Kino-Genres. Ihre Geschichten haben alle möglichen Zeiten, und spielen in allen möglichen Zeiten.

Ula Stöckl und Edgar Reitz drehten ihre Geschichten vom Kübelkind 1969 ausschließlich mit Freund*innen. Mit ihrer Serie von 22 16-mm-Kurzfilmen unterschiedlicher Länge positionierten sie sich radikal außerhalb des Systems Kino – es entstanden abstrus-witzige, subversivanarchische Kurzfilme unterschiedlichster Länge, die sich bewusst und mit verblüffendem Erfolg jeder Konvention widersetzten. In ihrem dadaistischen Ideenreichtum sind sie bis heute unerreicht.“1

Die Kübelkind-Filme brechen Tabus, verstoßen gegen Regeln und nehmen das Spießertum samt seiner überkommenen, von Katholizismus und verklemmter Triebhaftigkeit geprägten Moralvorstellungen aufs Korn. Sie halten der Gesellschaft einen Spiegel vor und legen die Finger in die Wunden des Bürgertums. Bereits 1971 bezeichnete Peter W. Jansen die Filme als „cineastische Revolution“, als vielfältigen und folgenreichen „Bruch mit dem Kino herkömmlicher Spielart“ (Die Zeit, 23.7.1971), und im Deutschen Allg. Sonntagsblatt (Hamburg) schrieb M. Delling: „Ein Film von so sinnlicher Intelligenz, auf so phantasievolle Art Didaktik mit Spaß verbindend, von so ingeniösen Einfällen, dass man aus dem Staunen nicht herauskam und vom Staunen nicht aus der Betroffenheit.“

Mehr über die Geschichten vom Kübelkind erfahren Sie (in der arthaus-Edition enthaltenen) Dokumentation Der Film verlässt das Kino von Robert Fischer, auf der Homepage von Edgar Reitz sowie in meinem Bericht von der Reitz-Retrospektive 2018 in Nürnberg, bei der die restaurierte Fassung der 22 Filme Premiere feierte.

Szenenfotos

Die Geschichten vom Kübelkind sind 2019 bei studiocanal unter dem Label arthaus als DVD/blu-ray-Special Edition erschienen. Das Set enthält alle 22 Episoden in digital restaurierter Form sowohl auf zwei DVDs als auch auf einer blu-ray-Disc. Außerdem sind die sehr sehenswert Dokumentation Der Film verlässt das Kino von Robert Fischer und ein 52-seitiges Booklet enthalten.

1 zitiert nach arthaus.de.