Informationen rund um die HEIMAT-Trilogie von Edgar Reitz

Kürzung der TV-Fassung von HEIMAT 3

… dargestellt in umgekehrt chronologischer Reihenfolge:

zum (vorläufigen) Abschluss dieses leidigen Themas: klare Worte eines gestandenen Filmkritikers

Auf der Internetplattform „Titel-Magazin – Literatur und mehr“ findet sich eine Kolumne des Edgar Reitz nahe stehenden Filmkritikers Peter W. Jansen vom 21.12.2004, in der dieser den Umgang der ARD mit Edgar Reitz und seinem Werk, insbesondere aber den auf dieser Seite veröffentlichten Vorfall auf der ARD-Weihnachtsfeier (siehe unten, Eintrag vom 4.12.2204) in m. E. angemessener Schärfe aufs Korn nimmt. Man muss keine prophetischen Fähigkeiten besitzen, um im metaphorisch umschriebenen „Quotenfuzzi“ den ARD Programmdirektor Günter Struve zu erkennen …

Der Quotenfuzzi
von Peter W. Jansen

veröffentlicht auf titelforum.de, 21.12.2004

Er klopfte sich selbst auf die Schulter, ob mit der Rechten auf die linke oder mit der Linken auf die rechte, wird nicht berichtet. Er malträtierte seine von der Last der Sisyphos-Arbeit schon schwer gebeugte Schulter, weil er zwei, wie er sagte, gute Nachrichten zu verkünden habe. Die erste: dass er weitere fünfzehn Jahre in dem Joch ächzen werde, in das er sich selbst eingespannt hatte und auf das er auch nicht hatte verzichten wollen, als ihm ein minder bezahlter ehrenvoller Job zur Verfügung stand. Die zweite gute Nachricht des Programmdirektors der ARD lautete, dass es gelungen sei, im Quotenrennen die Spitzenposition zu erringen. Doch schon musste der Sisyphos bittere Tränen weinen, weil, wie er schon zu wissen meinte, der ganze schöne Erfolg für die Katz sein werde, wenn sich Das Erste, das nun doch endlich einmal seinen Namen zu Recht trage, in den nächsten Tagen der Hochkultur zum Opfer bringe. Zur Prime Time, gleich nach der Tagesschau, und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Mit der neuen, schon europaweit als erdumspannendes singuläres Meisterwerk gefeierten „Heimat“-Staffel, sechsmal 88 Minuten plus 30 Sekunden lang.

So jedenfalls wird uns von der Adventsfeier im Bayerischen Hof berichtet, und dass weder eine offizielle Bestätigung noch ein offizielles Dementi angeboten wird -: wen wundert das bei Leuten, die sich an keine Regel halten, aber darauf spekulieren, dass andere sich an Regeln halten. Zum Beispiel an die sogenannte journalistische Sorgfaltspflicht, die bis zu dem Exzess führen kann, sich vom Kritisierten die Kritik aus noch genehmigen zu lassen. Schier alles lässt sich auf diese Weise unterbuttern.

Die ARD leistet es sich also, ihrem Auftrag gerecht zu werden, einem Auftrag, in der von so ungeniessbarem Kram wie Kultur die Rede ist und leider nichts von den Leckereien namens Quote. Was bleibt da einem Sisyphos und Quotenfuzzi anderes, als mal ordentlich Tacheles zu reden.

Es wird berichtet – wohlgemerkt: berichtet, ohne offizielle Bestätigung, aber auch ohne Dementi –, dass unser Held die Gelegenheit der halb privat, halb öffentlich-rechtlich angeordneten Feier vor etwa zweihundert handverlesenen Gästen wahrnahm, gegen ein Spitzenprodukt zu labern, das vom Ersten derweil schon mächtig angetrailert wird. Soll er doch.

Soll er doch? Soll er sein Mütchen kühlen, das ihm während seines heroischen Kampfes gegen „Heimat 3 – Chronik einer Zeitenwende“ abgekauft worden ist? Gesetzt den Fall, ein Angestellter, ein Leitender zumal, von General Motors würde das neue Opel-Produkt madig reden, gesetzt den Fall, ein Angestellter, ein Leitender zumal, von RTL würde eine neue Soap seiner Firma abmeiern -: der eine wie der andere könnte alsbald seinen Hut nehmen. Nicht jedoch ein Sisyphos, dem es fünfzehn weitere Jahre, vertraglich gesichert, vergönnt sein soll, seine Geschmacklosigkeit zum Geschmacksdiktat eines Fernsehprogramms zu machen, das als Das Erste zu bezeichnen nur unter Schmerzen möglich ist. Möge ihn doch der Blitz des Apoll bei seiner liebsten Verrichtung treffen. Beim Quotenzählen.

Peter W. Jansen


Dietrich Kuhlbrodt äußert sich in einem Bericht ausführlich über das Pressescreening von HEIMAT 3. Sehr deutlich wird auch hier die Divergenz zwischen Kunst (Reitz) und Kommerz (ARD) herausgearbeitet.


Zuschauerzahlen und Kürzungen HEIMAT 3 (31.12.2004)

Film123456
Sendetermin15.12.200417.12.200420.12.200422.12.200427.12.200429.12.2004
Zuschauerzahl3,86 Mio.2,28 Mio.2,91 Mio.2,8 Mio.2,92 Mio.2,47 Mio.
Marktanteil*12,4 %7,4 %9,0 %8,7 %8,6 %7,6 %

Quelle: AFG/GfK, http://quoten.daserste.de/quoten.asp. *Der Marktanteil wird jeweils bezogen auf den Zeitpunkt der Ausstrahlung berechnet. So kann in einem anderen Zeitraum oder auch zur gleichen Uhrzeit eines anderen Tages trotz absolut geringerer Zuschauerzahl ein höherer Marktanteil zu verzeichnen sein und umgekehrt.

Nach einem gelungenen Start mit knapp 4 Mio. Zuschauern (hier noch die Pressemitteilung der ARD vom 16.12.2004, in der sich SWR-Intendant Voß, SWR-Fernsehdirektor Bernhard Nellessen und Koordinator Fernsehspiel Ulrich Deppendorf sehr zufrieden über die Sehbeteiligung der ersten Folge von HEIMAT 3 äußern) erfolgte, sicher mitbedingt durch die attraktiven Angebote der Konkurrenz, zur zweiten Folge ein Einbruch der Zuschauerzahl auf 2,3 Mio. Von Film 3 bis Film 5 stabilisierte sich die Zuschauerzahl erfreulicherweise auf knapp unter 3 Mio. Menschen. Beim letzten Film erfolgte ein Rückgang auf knapp 2,5 Mio. Zuschauer, offenbar bedingt durch starke Konkurrenz auf RTL und ZDF, aber auch durch den vorgeschobenen Brennpunkt zur Flutkatastrophe in Asien. Auch wenn Quotenfetischisten damit nicht zufrieden sein werden, so ist das Zuschauerinteresse meines Erachtens angesichts der veränderten Zuschauer- und Programmlandschaft doch als großer Erfolg zu werten.

In einer Pressemitteilung vom 30.12. beurteilt auch der mitfinanzierende SWR die Zuschauerbeteiligung als „zufriedenstellend“.

Trotz der Konsolidierungstendenz beharre ich auf meiner Einschätzung, die auf Beiträgen im Zuschauerforum beruht: Kann es sein, dass sich die ARD durch ihre rigide Haltung gegenüber Edgar Reitz (nicht nur bzgl. der Kürzungen der TV-Fassung, sondern besonders der Eingriffe ins Drehbuch, das ursprünglich auf 11 Filme ausgelegt war) selbst ein spielentscheidendes Eigentor geschossen hat? So manch eingefleischter HEIMAT/DZH-Freund mag sich abgewandt haben, da besonders der (entscheidende) erste Film angesichts der engen gesetzten Bedingungen nicht stark genug an die lieb gewonnenen Reitz’schen Erzähltraditionen und -inhalte anknüpft. Und das Interesse von Zuschauern, die HEIMAT und DZH nicht kennen, mag u. U. durch die notwendigerweise recht hastig aufgegriffenen personellen Strukturen nicht geweckt worden sein.


Kürzungen der deutschen TV-Fassung von HEIMAT 3 (30.12.2004, ergänzt  26.1.2005)

Film 1 (ca. 11 min): Kurze Szene zwischen Hermann und Clarissa im Kempinski (verheiratet?, Rede Momper im TV), Hermann wird von Anton der Familie vorgestellt: Gespräch Hermanns mit Lothar und Dieter, kurzer Teil eines Gesprächs Gunnar und Udo, Teil des Briefs von Clarissa in dem sie über ihre Mutter schreibt,  alle Szenen mit Mutter Lichtblau und Clarissas Sohn Arnold (Telegramm, Prozess in HH, Billardcafé im HH, nach dem Konzert in Amsterdam, Weihnachten in HH – nur vor dem PC mit Clarissa taucht Arnold kurz auf).

Film 2 (ca. 6 min.): Tobi in Dresden (2 Sequenzen: einmal bei der Rückkehr in seine WG, dann im Park), alle Szenen mit Arnold (bei der Einweihungsparty, im Günderrodehaus, beim WM-Finale hinter Clarissas Sessel – nur auf der Terrasse taucht er nach dem Finale geradezu geisterhaft auf).

Film 3 (ca. 30 min.): Russenmarkt: Teil der Szene mit Galina in der Wohnung der Amerikaner (Parfüm), Ernst zum ersten Mal wieder auf seiner Landebahn (Tobis Brief), Ernst bei Tobi in Dresden (Mobile), Hartmut besichtigt eine Halle auf dem Hahn, der Besuch der zwei Typen, die das Günderrodeaus auf Strahlungen, Wasseradern etc. untersuchen, der Monolog des Firmenvernichters Böckle im Zugabteil wurde nach hinten verschoben und am Anfang gekürzt, Hermanns Treffen mit Udo in Leipzig, Juris und Galinas Fahrt zur Uni-Klinik Mainz (Parfum, Untersuchung), Clarissas „Tinnitus-Lied“, Hermanns Gespräch mit Lutz und Roland über sein Verhältnis zu Lulu, Begattung der Ziege Bianca, Frühlingsszene (Raps): Bianca hat zwei Junge bekommen, Hartmuts Fahrt mit dem neuen Auto durchs Dorf (Dialog Rudi und „Postowitsch“), Hartmuts fahrt durch die Felder nachdem Mara wenig Interesse für sein neues Auto zeigte, massive Kürzung der Taufe (schade um Rudis treffenden Kommentar) und leichte Kürzung der Szene zu Anfang der anschließenden Kaffeetafel.

Film 4 (ca. 40 min.): Letzter Teil der Szene im Elektrogeschäft (Auftrag), Hartmuts Besuch bei Galina (die schöne und wichtige Duschszene), Teile des Fußballspiels, Hartmuts nächster Besuch bei Galina (nach dem Tod seines Vaters), Szene im Gasthaus Molz (Gespräch über die Einäscherung), Leichenwagen holt Antons sterbliche Überreste ab, Hartmuts Rede vor der Belegschaft (daraus wurde ein kurzer Teil der Szene mit Böckle weit vorgezogen), die komplette Köln-Sequenz: Hermann bei Lulu (aufgebrochene Tür), Bordellbesuch, Anruf von Clarissa, sowie und die ganze Berlin-Sequenz: Konzert, Hermann trifft Gunnar, Szene im Restaurant.

Film 5 (ca. 10 min): Lulus Gespräch mit Pastor Dahl (auf dem Weg zur Abgabe des Bauantrags), Ende der ersten und zweite Böckle-Team-Szene, erste Szene Geschwister in Hermanns Wohnzimmer, Frau Weirichs Anruf dort, Hartmut geht Böckle an den Kragen, Meises Besuch in der Gastwirtschaft Molz (schade um Rudis schönen Spruch!), Teile der Fahrt Hartmuts mit Matko an der Mosel, Lulus Dialog mit Dr. Kuhn, Hermann besucht Clarissa in Bad Salzig. Lulus Besuch in Bad Salzig wurde zeitlich vorgezogen.

Film 6 (ca. 15 min): Hermanns Wohnungsauflösung, Teil 2 (Maklerin, Clarissas Mutter), Clarissas Bahnfahrt mit ihrer Mutter nach Wasserburg, Hermanns beinahe-Kollision mit dem Tieflader, Szene in der Simmerner Fußgängerzone (Pro-Winkino) und im Fotogeschäft, erste Traumsequenz (Rudi, Container), Clarissas Rückkehr mit ihrer Mutter und deren Einzug ins Günderrodehaus, das Outing von Dieter, schließlich wurde Lulus verzweifelter finaler Blick aus dem Fenster massiv gekürzt.8.12.2004


Mail von Dirk Schneider, 5.12.2004

Zwischenbericht über den Protest gegen die Kürzung von HEIMAT 3

Dirk Schneider, Initiator der Protestseite Heimat 3 komplett, berichtete mir über das Zwischenergebnis seines Engagements für die ungekürzte Ausstrahlung von HEIMAT 3:

„(…) weit über 300 UnterstützerInnen haben sich bisher bei mir gemeldet, von denen nicht alle (…) öffentlich genannt werden möchten. Entweder weil sie beim Sender oder der ARD arbeiten, weil sie prinzipiell nicht ihren Namen im Internet veröffentlichen wollen oder weil sie von Aufträgen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens abhängig sind als Schauspieler, Autoren, Techniker usw., eine -wie ich finde- sehr bedenkliche Tatsache, denn das kommt einem Maulkorb aus ökonomischen Zwängen gleich. Würden wir in einem anderen System leben, so wäre von Zensur die Rede. (…)
Auf mein im Internet schon veröffentlichtes Protestschreiben an den SWR-Intendanten Herrn Voß hin meldete sich bei mir Ende Oktober nicht Herr Voß, sondern der SWR-Fernsehdirektor Bernhard Nellessen und begründete die Kürzung folgendermaßen:
„Ihre Kritik an der Ausstrahlung der Fernsehfassung von „Heimat 3″ ab dem 15.12.2004 im Ersten muss ich allerdings zurückweisen. Es handelt sich bei den sechs ca.90-minütigen Filmen nicht um eine gekürzte, sondern um die von Anfang an mit Herrn Reitz verabredete und vertraglich festgelegte Fassung.“
Dies verschweigt allerdings, daß die von Edgar Reitz vorgelegte und im Kino veröffentlichte Fassung auf Drängen der ARD (nicht den ausländischen Geldgebern) hin gekürzt werden mußte, die auf diesem 90-Minuten-Format bestanden, trotz aller dadurch entstehenden dramaturgischen Unsinnigkeiten. Auch erhielt ich keine Antwort darauf, warum andere Formate das „heilige Programmschema“ regelmäßig sprengen dürfen, der Heimat 3 dies aber in vergleichsweise minimalem Rahmen nicht gestattet wurde (denn es geht hier nicht um täglich stundenlanges Überziehen).
Dagegen schreibt Nellessen weiter: „Bei der redaktionellen Abnahme haben die betreuenden Redakteure Dr. Mack (SWR) und Stamann (MDR) größten Wert darauf gelegt, dass das Werk von Edgar Reitz nicht in seinen dramaturgischen Spannungsbögen sowie in dem essentiellen Figurenpersonal beschnitten wurde.“
Dies kann allerdings nicht gelingen, wenn man die gekürzte Version mit der ungekürzten Version vergleicht, unverständliche Brüche sind unvermeidbar und werden beim aufmerksamen Zuschauer zu negativer Kritik führen. Und zudem wird verschwiegen, daß aus unverständlichen Gründen besonders die Redakteure auf einer Verstümmelung der Kürzung bestanden, was verschiedene Beteiligte immer wieder bestätigten und ungewöhnlich ist, denn sonst kämpfen diese um jede Sendeminute. Hier liegt der Verdacht nahe, daß besonders die freie und selbständige Produktion von Edgar Reitz zu gewissen Problemen im öffentlich-rechtlichen Bürokratensystem geführt hat.
Positiv ist natürlich die Sendezeit um 20.15 Uhr, was Herr Nellessen auch erwähnte: „Bei der Platzierung von „Heimat 3″ im Weihnachtsprogramm 2004 im Ersten bestand unser Hauptinteresse darin, dieses monumentale Werk möglichst vielen Zuschauern zugänglich zu machen. Dies gelingt uns am besten durch eine Ausstrahlung zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr.“ Da stimme ich mal uneingeschränkt zu!
In den nächsten Tagen werde ich einen überarbeiteten Protest mit allen neu hinzugekommenen UnterstützerInnen an den SWR versenden und gleichzeitig verschiedene Redaktionen darüber informieren. Der Protest geht also weiter, auch mit Beginn der Ausstrahlung bleibt die Verstümmelung einer schon bezahlten Produktion eine künstlerische Kastration, die Herr Reitz auch noch selbst finanzieren musste, was sicher ein erniedrigendes Gefühl sein muß.


Tagesspiegel Berlin und Mail von Edgar Reitz, 4.12.2004

Skandalöse Äußerungen des ARD-Programmdirektors G. Struve bzgl. HEIMAT 3

In einem heute veröffentlichten Interview des Berliner Tagesspiegel mit ARD Programmdirektor Günter Struve äußerte sich dieser wie folgt zur Kürzung von HEIMAT 3:

Tagesspiegel: Jetzt, zum Jahresende 2005, kommt „Heimat 3“ in sechs Teilen von Edgar Reitz. Der Künstler ist mit der ARD nicht zufrieden.
Struve: Zunächst: „Heimat“ gäbe es ohne die ARD nicht. Der Grundkonflikt mit Edgar Reitz ist, dass er die sehr viel längere Kinofassung ausgestrahlt wissen möchte, die ARD aber sechs Teile à 90 Minuten, wie längst vertraglich vereinbart. Fernsehen ist Massenmedium, dieses Reitz-Kino für wenige tausend Cineasten. Ich wollte schon die längere Fassung, aber unsere Dramaturgen haben mich umgedreht. „Heimat 3“ in der Kinofassung ausgestrahlt hätte eine Million Zuschauer weniger. Der Film ist die größte finanzielle Anstrengung der ARD in den letzten Jahren. Wir haben alle sechs Teile um 20 Uhr 15 programmiert.

Außerdem, so berichtet mir Edgar Reitz soeben, äußerte Struve unlängst in einer Rede auf einer Adventsfeier der ARD sinngemäß, die (Quoten-)Marktführerschaft vor RTL sei im Dezember gefährdet, „weil der Monat durch HEIMAT 3 ‚der Hochkultur‘ geopfert würde“. Reitz’s Frau und Hauptdarstellerin Salome Kammer, die als Gast zugegen war, verließ die Feier daraufhin zutiefst getroffen.

Die Aussagen von Herrn Struve zeugen meiner Meinung nach von größter Respektlosigkeit und Ignoranz gegenüber Edgar Reitz und seinem großartigen Kunstwerk, aber auch gegenüber uns Zuschauern. Nicht nur, dass die ARD mit Ausnahme des SWR wenig tut, um die Zuschauer für HEIMAT 3 (z. B. durch Vorberichte, Dokumentationen etc.) zu interessieren, jetzt werden bereits öffentlich und mit größtem Zynismus Vorverurteilungen vorgenommen. Offenbar ist die ARD, die per Rundfunkgesetz die per GEZ eingetrieben Zwangsgebühren zweckgebunden zur Erfüllung eines kulturellen Auftrags einzusetzen hat, auf dem besten Weg, das Primat der Quote über jegliche andere, insbesondere auch kulturelle (!) Interessen zu stellen. Armes Deutschland. Wenn wir als die Anhänger von Edgar Reitz und seinen großen Filmen wie Struve vorgibt nur noch eine minderheitliche Randgruppe namens Hochkultur stellen – was ist dann mit dem Rest des Volkes?

Was können wir tun? Versuchen wir doch, die bornierten Quotenfetischisten in der Schaltzentrale der ARD mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen, indem wir möglichst viele Menschen: Freunde, Verwandte, Nachbarn, Arbeitskollegen, Kunden, Schüler etc. dazu motivieren, sich auf HEIMAT 3 einzulassen (denn genau darauf kommt es an). Auch auf die Gefahr hin, dass, sollte HEIMAT 3 (verdientermaßen) ein Erfolg werden, Menschen wie Struve sich dann in den Vordergrund drängeln und Edgar Reitz die Schulter klopfen, als hätten sie es doch immer schon gewusst …

Edgar Reitz formuliert es in seiner Mail, appellierend an alle HEIMAT-Freunde, so:
Nun bleibt auch uns nichts anderes übrig, als eine möglichst hohe Sehbeteiligung zu erhoffen. Also, Leute, schaltet ein! Zeigt denen, dass es Euch gibt, dass es in Deutschland ein Publikum gibt, das sich jenseits aller kommerziellen Verrenkungen an der Qualität wahrhaftigen und künstlerisch durchdachten Erzählens erfreuen will!!! Herzlich, Ihr Edgar Reitz

Meine Überzeugung ist, dass Deutschland gerade jetzt für einen Film wie HEIMAT 3 reif ist, ihn geradezu braucht. Wie weit sind wir denn gekommen, wenn die Verdummung des Fernsehvolkes zu Gunsten der Quote billigend in Kauf genommen wird?


Kürzung von HEIMAT 3 – Fakten und Zuschauerprotest

Auf den Seiten von ReindeR Rustema sind weitere Details zur Kürzung der Fernsehfassung der dritten HEIMAT zu finden. Laut Auskunft der Kinowelt, dem Verleiher von HEIMAT 3, sind folgende Längen Fakt:

TeilTitel35mm Kino-Version (24 Bilder/Sek.)DVD-Version (25 Bilder/Sek.)*gekürzte TV-Fassung
# 1Das glücklichste Volk der Welt (1989)109 min101’31 min89’59 min
# 2Die Weltmeister
(1990)
100 min95’46 min88’53 min
# 3Die Russen kommen
(1992-1993)
125 min119’31 min91’55 min
# 4Allen geht’s gut
(1995)
132 min126’24 min91’54 min
# 5Die Erben
(1997)
105 min100’42 min91’01 min
# 6Abschied von Schabbach
(1999-2000)
108 min ???110’07 min88’53 min
insgesamt 679 min654 min542’35 min

* Die Zeitdifferenz zwischen ungekürzter Kino- und DVD-Fassung ergibt sich offenbar durch die unterschiedlichen Abtastfrequenzen: Kino 24 Bilder/Sek., DVD/PAL 25 Bilder/Sek., siehe hierzu auch das Thema PAL-Speedup.

Soeben erreichte mich eine E-Mail von Dirk Schneider, der sich über die Internetseite Heimat-Komplett bei den Verantwortlichen der ARD für eine Ausstrahlung in voller Länge einsetzt. Sie können diese Initiative unterstützen, indem Sie sich per E-Mail diesem Protest namentlich anschließen. Ihre Kontaktdaten werden dabei nicht veröffentlicht. 29.8.04


Brief von Eva-Maria Schneider, 25.8.2004, und Mail von Edgar Reitz, 29.8.04

HEIMAT 3 im TV nur in gekürzter Fassung!!!

Eva-Maria Schneider (Darstellerin der Marie-Goot in HEIMAT) hat mir persönlich darüber berichtet, dass Heimat 3 im Dezember in der ARD nur in einer gekürzten Fassung laufen wird:
„Die Fernsehgewaltigen haben allen Ernstes Edgar Reitz dazu verdonnert, von 11 1/2 Stunden fertigem Film 2 1/2 Stunden zu streichen nur damit die Tagesthemen pünktlich kommen! Wer fragt nach den Tagesthemen, wenn ein Fußballspiel in die Verlängerung geht, wenn 2 Tennisspieler nicht fertig werden oder sonst irgendetwas dazwischen kommt? Da könnte der Gebührenzahler mal etwas Hochwertiges für sein Geld bekommen und dann sowas!!! Für Edgar ist das eine fast unlösbare Aufgabe. Da müssen ja ganze Geschichten herausgenommen werden und viele Figuren verschwinden einfach von der Bildfläche. Ich habe gestern mit Robert Busch [Edgar Reitz‘ Produktionsleiter und rechte Hand] telefoniert und er sagte: ‚Wir haben gekämpft wie die Löwen, aber leider vergebens.‘ Edgar ist sehr sauer und ich finde es beschämend von der ARD, so geht man mit niemand um, auch nicht mit den Zuschauern!“ (E.-M. Schneider in einem Brief von 25.8.04 an mich)
Ich kann diesem Urteil nur zustimmen. Es kommt mir vor, als müsse ein Maler, der ein schönes Bild gemalt hat, einen Teil davon wegschneiden, nur damit das Bild in einen vorgefertigten Rahmen passt. Ich empfinde in dieser Entscheidung einen mangelnden Respekt gegenüber der Person und Arbeit von Edgar Reitz. Einziger Trost ist, dass die DVD-Ausgabe von HEIMAT 3 die vollständige, ungekürzte Fassung enthalten wird.

Soeben habe ich auch eine Stellungnahme von Edgar Reitz zu diesem Thema erhalten. Er gibt sich diplomatisch, weist darauf hin, dass ohne Unterstützung der ARD dieses Projekt gar nicht möglich gewesen wäre. Zitat: „Andererseits muss man heutzutage froh sein, wenn man mit dem Fernsehen überhaupt etwas Anspruchsvolles realisieren kann. Bitte bedenken Sie, dass ich gemeinsam mit Robert Busch über 7 Jahre lang kämpfen musste, um die ARD überhaupt zum Mitmachen zu bewegen. Da ist man schon mal glücklich, dass der Film überhaupt zustande gekommen ist und dass es wenigstens in den anderen Medien: Kino, DVD, die künstlerisch ausgewogene Originalfassung gibt.“
Dennoch: „Die Fernsehfassung, deren Sendematerial inzwischen bei den Sendern abgeliefert wurde, (…) ist ca. 118 Minuten kürzer, als die Originalfassung, die in den Premieren, in Venedig und in Kinos gezeigt werden wird. (…) Die Kürzungen sind leider sehr umfangreich und greifen tief in die Substanz ein: Es fehlen einige Personen der Handlung in der TV-Fassung komplett, andere sind von Hauptfiguren zu Nebenfiguren degradiert worden. Vor allem die Teile 3 und 4 sind betroffen, da sie im Original die längsten sind. „
Schließlich verweist Edgar Reitz darauf, dass noch vor der TV-Ausstrahlung die vollständige Version von Heimat 3 auf DVD erscheinen wird: „Umso wichtiger ist es mir, darauf hinzuweisen, dass die KINOWELT die ungekürzte Fassung noch vor der Sendung in einer wunderschönen Farbabstimmung mit 6-Kanal-Ton als DVD herausbringen wird. So wird keiner der leidenschaftlichen HEIMAT-Freunde gezwungen sein, die HEIMAT 3 nur im Fernsehen anzuschauen. (…) Herzliche Grüße, auch an alle unsere Fans und Heimat-Freunde, Ihr Edgar Reitz“.