Informationen rund um die HEIMAT-Trilogie von Edgar Reitz

„… und bitte!“ – 40 Jahre Drehstart von HEIMAT

Heute, am 28.4.2021, jährt sich der Drehstart von HEIMAT zum 40sten mal.1 Edgar Reitz, eine Reihe der damals beteiligten Darsteller/innen und Regiekollege Volker Schlöndorff haben Ihre Gedanken zu diesem Anlass niedergeschrieben. Ganz herzlichen Dank für Ihre eigens für die Besucher/innen von heimat123.de verfassten Beiträge, die noch ein wenig mehr Licht und Farbe in unsere Erinnerungen bringen mögen und die in berührender Weise zeigen, wie sehr HEIMAT das Leben aller Beteiligten im positiven Sinne geprägt hat.
Ein ganz besonderer Dank gilt Günter Endres, der die Idee zu dieser Aktion hatte und sich sehr dafür engagiert hat.


Edgar Reitz 2015 © Günter Endres

Edgar Reitz, München, Schöpfer der HEIMAT-Trilogie, Autor, Regisseur und Produzent

„Lieber Herr Hönemann,
ich habe mir gedacht, dass der 40. Jahrestag und Ihre liebevolle Begleitung der HEIMAT über so lange Zeit es rechtfertigen, dass ich Ihnen einen Ausschnitt aus meiner Autobiographie zur Verfügung stelle. Es handelt sich um die Beschreibung einer Begebenheit, die dem eigentlichen Drehbeginn um einige Tage vorausging. Am 4. April 81 starb Opa Molz, während ich gerade mit meinen Hauptdarstellen zum ersten Mal das Dorf betrat. Dieser Tag ist in meiner Erinnerung untilgbar eingebrannt.“ (E. R., 5.4.2021)

Edgar Reitz hat „Opa“ Gustav Molz, den Vater des Woppenrother Gastwirts Rudi Molz (dem er in HEIMAT 3 ein Denkmal gesetzt hat), in den Geschichten aus den Hunsrückdörfern portraitiert.

Den Auszug aus der in Entstehung begriffenen Autobiographie von Edgar Reitz
können Sie zur rein privaten Verwendung hier herunterladen.

© Thekla Ehling

Marita Breuer, Köln, Darstellerin der Maria Simon (und auch der Margarethe Simon in Die andere Heimat)

„Bei einer unseren letzten Begegnungen sagte Gernot Roll, unser hoch geschätzter und geliebter Kameramann: „Die Dreharbeiten zu Heimat waren die schönste Zeit meines Lebens. Ich habe keinen einzigen Tag als Arbeit empfunden“. Diesen Worten schließe ich mich an. Wir alle hatten am Anfang dieses großen Abenteuers keine Erwartungen und keine Befürchtungen. Wir sind jedem Drehtag mit Offenheit und Neugierde begegnet. Unser Interesse galt einzig und allein der Wahrhaftigkeit unserer Arbeit. Wir wurden in der Abgeschiedenheit eines kleinen Dorfes immer mehr ein Teil der Geschichte, die wir erzählt haben. Eine Erfahrung, die einzigartig ist und mein Leben geprägt hat. Es ist kaum zu glauben, dass das alles schon so lange her sein soll. Die Zeit ist noch ganz nah. Und sie wird es bleiben.“
M. B., 7.4.2021


© Ingrid Theis

Eva Maria Bayerwaltes, München und Berglesdorf, Darstellerin Pauline Simon in HEIMAT und Die zweite Heimat

Eva Maria Bayerwaltes erinnert sich im Gespräch sehr lebhaft und mit Freude an die Dreharbeiten. „Das war eine sehr besondere Sache. Es erfüllt mich mit großer Dankbarkeit, dass ich so etwas erleben durfte,“ auch wenn viele der Darsteller kaum mehr an diese große Arbeit haben anknüpfen können. Umso mehr erfüllt es sie, wenn sie Beteiligte von damals wie z. B. Dieter Schaad, Gabriele Blum, Veronika Ferres oder den damaligen Kameraassistenten Rainer Gutjahr wiedersieht, gemeinsam in den Erinnerungen zu schwelgen. Die gemeinsame Projekt HEIMAT hat ganz offenbar bis heute anhaltende, tiefe Verbindungen geschaffen.

Besonders geschätzt habe sie auch die Zusammenarbeit mit den Laiendarstellern, die immer harmonisch und auf Augenhöhe gewesen sei. „Es war eine Einheit, wir mochten uns alle gern und da gab es überhaupt keine Unterschiede. Wir konnten von den Laien ganz viel erfahren über den Dialekt, spezielle Ausdrücke und das Leben im Hunsrück.“

Lesen Sie mehr aus dem Gespräch mit Eva Maria Bayerwaltes (11.04.2021)


Markus Reiter, Yogalehrer in Simmern, Darsteller des jungen Anton Simon

„Die Dreharbeiten zu Heimat waren ein Abenteuer für mich. Mein ehemaliger Deutschlehrer hatte mich der Filmcrew empfohlen. Daraufhin wurde ich für die Rolle des Anton gecastet. Es war aufregend für mich zu sehen, mit welchem Aufwand die Dreharbeiten stattgefunden haben. Ich war erstaunt, wie viele Menschen an diesem Projekt mitgeholfen und mitgearbeitet haben. Die Stimmung am Set war immer freundlich aber auch sehr professionell. Meine Hochachtung gilt bis heute Edgar Reitz und seinem gesamten Team. Außerordentlich fand ich auch die Arbeit des Kameramannes Gernot Roll. Mir fällt noch ein, dass es bei den Dreharbeiten im Winter wirklich bitter kalt gewesen ist und dadurch die Stimmung sehr echt eingefangen werden konnte. Selbst 40 Jahre nach den Dreharbeiten ist und bleibt die Zusammenarbeit ein Highlight in meinem Leben. Viele Grüße an alle Fans von Heimat!“
Markus Reiter, 13.04.2021


Otto Prochnow, Künstler aus Simmern, Darsteller des Polizeiinspektors und Vertreter der Kreisordnungsbehörde am Set

Otto Prochnow erinnert sich lebhaft an die Dreharbeiten von HEIMAT. Zunächst war er im Auftrag der Ordnungsbehörde des Rhein-Hunsrück-Kreises für die Beaufsichtigung der Einhaltung der behördlichen Vorschriften am Set zuständig. Als dann aber eines Tages händeringend der Darsteller des Polizeiinspektors gesucht wurde, brachte Robert Busch Prochnow ins Spiel: „Edgar, wir nehmen den, Beamter ist Beamter“. Für die Zweite Heimat stellte er sein Haus in Simmern als Drehort zur Verfügung und über seine Tochter Julia, die in HEIMAT 3 die Moni spielte, blieb Prochnow weiter in enger Verbindung mit den Filmen der Trilogie.

Lesen Sie Otto Prochnows Erinnerungen an die Dreharbeiten (18.04.2021)


Dieter Schaad, Wiesbaden und München, Darsteller des Paul Simon (alt)

Auch Dieter Schaad, Anfang dieses Monats stolze 95 Jahre alt geworden, erinnert sich im Gespräch mit Günter Endres lebhaft und begeistert an die Dreharbeiten von HEIMAT. „Wie Gernot Roll, der diesen Film in ganz tollen Bildern umgesetzt hat, waren alle ein ganz hervorragendes Team um Regisseur Edgar Reitz, und ich möchte diese Zeit nicht missen“, berichtet Dieter Schaad. Und: „Vor ein paar Jahren habe ich zusammen mit Edgar Reitz die restaurierte Fassung von HEIMAT in München sehen dürfen. Ich war immer noch von dieser Arbeit begeistert“.

Lesen Sie mehr aus dem Gespräch mit Dieter Schaad (20.04.2021)


Völker Schlöndorff, Potsdam, Regisseur, Autor und Produzent, HEIMAT-Begeisterter

„HEIMAT hat mich als „Hessebub“ auf Anhieb sehr berührt, denn es ist der Film, 
– den ich immer machen wollte, 
– den ich 1970 mit dem PLÖTZLICHEN REICHTUM DER ARMEN LEUTE VON KOMBACH zum Teil auch gemacht habe
– und an den ich heute täglich denke beim Drehen von DIE WALDMACHER über die Kleinbauern in Afrika.
Ich gratuliere dem lieben seherischen Edgar herzlich zum 40.!“
Volker Schlöndorff, 21.04.2021


Kurt Wagner, Inhaber einer Werbeagentur in Saarbrücken, Darsteller des Glasich-Karl

„Es passiert relativ häufig, dass ich an unbeschwerte Monate zurückdenke, die mit meinem Geburtstag am 01. Mai 1981 begonnen haben. Achtzehn Monate, um genau zu sein, bis zum 1. November 1982, dem Geburtstag von Edgar Reitz. Ihr habt Recht: Natürlich war der 28. April der erste Drehtag von „Heimat“, nicht der 1. Mai. Aber mir hat man diesen 1. Mai immer als ersten Drehtag verkauft – ich wusste nicht, konnte nicht wissen, dass diverse Außendrehs schon vorher stattgefunden hatten. Egal –
ein schöneres Geschenk hatte man mir bis dahin zum Geburtstag nie gemacht.

Der Laie unter Profis. Ein seltsames, fremdes Gefühl, das bald abgelöst wurde von einer Begeisterung, die mich durch alle Drehtage getragen hat. Hier noch einmal allen Laien, allen großartigen Profis vor und hinter der Kamera zu danken, ist überflüssig. Das habe ich fast täglich getan, und ich habe es aus ganzem Herzen getan. Zuspruch, Unterstützung, Aufmunterung von Crew (allen voran mein Freund Gernot Roll) und Darstellern, ein später nie mehr erlebtes Wir-Gefühl und eine gewachsene Kollegialität haben mir hinweggeholfen; über meine Befangenheit und, ja, oft meine Angst. Dass ich in den Menschen in und um Woppenroth tatsächlich eine „Zweite Heimat“ gefunden hatte, hat mich bis heute verändert.

Und nun soll das alles, die spannenden, aufregenden, anstrengenden, oft skurrilen, aber glücklichen Momente sooo lange her sein? Der erste Drehtag also genau 40 Jahre? Wenn ich nicht dabei gewesen wäre – ich würde es nicht glauben!
Glückauf,
Euer Kurt Wagner“
26.04.2021


Karin Rasenack, Salzhausen, Darstellerin der Lucie Simon

„Lieber Herr Hönemann,
Sie baten mich, Ihnen ein paar Zeilen zu „Heimat“ zu schreiben und wie ich heute nach so langer Zeit dazu stehe. Oh, ja, kein Problem, eine leichte Sache!

Es erscheint mir nämlich, dass mit dem Altwerden das Wichtige im Leben, oder das was man als wirklich wichtig empfunden hat, sich ganz direkt nach ganz vorne drängelt: hier ist Lucie, guten Morgen! Ich sitze dann beim Morgenkaffee und grinse vor mich hin. Weil nämlich Lucie, diese schräge, liebenswerte Person (ein Meisterstück aus dem Zauberhut des großen Edgar Reitz!) mal wieder was zum „loofen“ bringen will und es dann auch tut. Bei ihr wird nicht nur geredet, da wird gelebt.
Fast täglich habe ich Szenen aus Heimat vor den Augen, hergezaubert …… tja, woher?

Als ich vor vielen Jahren nach einem meiner sehr üblichen „long distance“ Flüge, zu dünn gekleidet, vor Kälte und Müdigkeit zitternd, frühmorgens auf dem Flughafenbahnhof in München stand um nach Hamburg weiter zu fahren, schoss plötzlich eine abenteuerliche Person auf mich zu, ebenso total falsch ausstaffiert, grinste mich an und fragte: haben Sie nicht vor vielen Jahren so ne verrückte Tante im Hunsrück gespielt, ich glaube die kam aus Berlin. Oh ja, grinste ich zurück. Großartig sagte er, grinste und schoss davon. Ich bin zwar immer wieder auf Lucie angesprochen worden und habe viel Lob eingeheimst, aber nie war ein Kompliment so freakig, Lucielike ……….“

Karin Rasenack, 26.04.2021


© Niko Stank

Hans-Jürgen Schatz, Berlin, Darsteller des Wilfried Wiegand

1981. Anruf aus dem Hunsrück. Robert Busch, Assistent von Edgar Reitz:
Edgar Reitz möchte mich für eine Rolle kennenlernen.
Hunsrück. Kindheitserinnerungen an völlig verregnete Familienferien.
Am Sonntag darauf bei strahlendem Wetter in Woppenroth.
Edgar Reitz bietet mir die Rolle Wilfried Wiegand an.
Kurzer Besuch im Produktionsbüro Inge Richter.
Nach einer Stunde verlasse ich „Schabbach“ mit elf Drehbüchern.
Wenige Tage später erster Drehtag als Wilfried.
Ausnahmeproduktion. Buch, Kollegen, Kameramann, Regisseur.
1981. Woran ich hier beteiligt bin, wird Jahre später als Kult gelten.
Mitte der Achtziger schickt meine Schwester Zeitungsartikel aus London.
Sie hat keine Kinokarte für „Heimat“ bekommen. Sold out.
2015. Die Filme waren restaurierungsbedürftig.
Das Kino Babylon in Berlin zeigt alle elf Teile.
Wiedersehen mit Eduard, Lucie, Martha. Und Wilfried. Gernot und Edgar.
Ergreifende, tief berührende Bilder auf der großen Leinwand.
Dankbar seit 40 Jahren.


1 Über das genaue Datum des ersten Drehtages von HEIMAT kursieren unterschiedliche Angaben. Ich beziehe mich direkt auf Edgar Reitz, der den 28.4.1981 samt (verifizierbarem) Wochentag explizit in dem oben verlinkten Auszug aus seiner in Arbeit befindlichen Autobiographie nennt.