Jan Dieter Schneider spielte die Hauptrolle des Jakob Simon in Die andere Heimat. Das Besondere daran: Der damalige Medizinstudent, heutige Arzt aus Kastellaun hat keine Schauspielausbildung durchlaufen, sondern wurde von Helma Hammen im Rahmen des „Hunsrück Casting“ (in ihrem gleichnamigen Buch beschreibt sie ab S. 31 die Genese der Auswahl von Jan für die Rolle) entdeckt.
Auf die Frage nach dem Geheimnis seines Erfolges gibt sich Jan bescheiden: „Meine Stärke war glaube ich, dass sich sehr naiv war, und auch erst hinterher begriffen habe, beispielsweise bei den Filmfestspielen in Venedig, was wir da gemacht haben. Wenn mir bewusst gewesen wäre, mit wem ich da arbeite und was ich da mache, dann hätte sich das ganz anders angefühlt. Meine Lockerheit war schon gut. Zum Beispiel dass ich nicht wusste wer Werner Herzog ist, das war glaube ich echt ein Vorteil.“ (zit. nach Wandercheck Heimat, SWR 2017)
Jan hat seine Rolle aktiv mitgestaltet. Wie Jakob interessiert er sich sehr für Ethnologie und hat die im Film vorkommende Indianersprache selbst entwickelt, und das offenbar so überzeugend, dass sogar ein Sprachwissenschaftler eine (augenzwinkernde) Abhandlung* darüber schrieb.
Für heimat123.de hat er folgenden Beitrag verfasst. Vielen herzlichen Dank dafür, lieber Jan!
10 Jahre ist das schon her, dass ich als Jakob Simon aus der Tür fliege in den matschigen Innenhof der Familie Simon. Was für ein Glück, denke ich mir im Nachhinein, dass ich in diesen ersten Szenen noch keinen Sprechtext hatte, so aufgeregt war ich. Nein, es begann mit „Jakob fällt“, „Jakob läuft durch Schabbach“, „rennt durch die Wälder“, „Jakob spielt den Indianer“, „Jakob beobachtet die Mädchen“, „Jakob liest“… ich konnte in den ersten Tagen des April 2012 meine Rolle, die Atmosphäre des Filmes und des Hunsrück des 19. Jahrhundert kennen lernen.
Noch heute denke ich mit großer Freude und Sehnsucht an den Frühling und Sommer 2012, in dem ich mit ganz besonderen Menschen ein Werk mit erschaffen konnte, das mich bis heute beeinflusst. Angefangen mit der einzigartigen künstlerischen Erfahrung, der Arbeit u.a. mit Edgar Reitz und Gernot Roll, meiner Schauspiellehrerin Ute Barzel, den jungen Schauspielkolleg*innen Antonia, Philine und Max sowie mit Werner Herzog (Anekdote: „Kennen Sie die Kinski-Schraube Herr Schneider, eine Technik, die Klaus Kinski erfunden hat, um in das Bild zu kommen und dieses zu verlassen?“ – „Nein, wer ist denn dieser Herr Kinski“. Ja, ein so unbeschriebenes Blatt war ich…).
Durch Die Andere Heimat war ich inspiriert, mein Medizinstudium teilweise in Brasilien fortzuführen und lernte a la Jakob mit großem Eifer das Portugiesisch. Seit dem letzten Drehtag, an dem sehr viele Tränen flossen, verfolgt mich der Film bis heute (bis hin, dass mich Patienten plötzlich in einer Notaufnahme in Frankfurt am Main als Herr Jakob ansprechen). Edgar Reitz erwähnte bei der Abschlussfeier passend dazu die Gärtnermetapher: die Saat ist gesät, nun wächst der Film.
Jan Dieter Schneider, Würzburg, 29.04.2022
Interviews mit Jan Dieter Schneider:
Campus-TV Mainz 184
SWR Landesschau nach der Premiere in Venedig
SWR Landesschau nach der Auszeichnung von Die andere Heimat zum Film des Jahres 2014
Das * vgl. Jürgen Trabant: DER HIMMEL, DAS HAUS, DAS GOLD, DER GUTE MANN UND DAS NICHTS. DIE AMERIKANISCHEN SPRACHEN UND DAS WELTBEWUSSTSEIN DER ANDEREN MODERNE, in: Literatur leben. Festschrift für Ottmar Ette, hrsg. von Albrecht Buschmann, Julian Drews, Tobias Kraft, Anne Kraume, Markus Messling und Gesine Müller, Frankfurt/Main 2016, S. 274ff., Ausschnitt online unter http://juergen-trabant.de/wp-content/uploads/2012/10/Trabant-2016q-Fs-Ette.pdf, Aufruf 5.3.2018